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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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nämlich bereit für ihn.
    Am Czernin-Palast empfiehlt D. E. uns eine Weinstube u Loretu, mit Tischen im Freien. Schräg gegenüber eine Imbißstube, in der ein Onkel uns befragen wird, in einer ärztlichen Manier, nach dem Zustand unseres Schuhwerks, worauf er Marie Pantoffeln anpaßt und einen allenfalls gerissenen Sandalenriemen vernäht. Wein wird der uns anbieten, als wären wir in Italien.
    Am besten also finden wir eine Wohnung in der Pariser Straße von Prag. Seit der Öffnung des Landes Č. S. S. R. für den kapitalistischen Tourismus 1963, unser Geld wird uns nett machen und liebenswert. Hüten sollen wir uns vor jungen Männern, die werden uns ansprechen ohne uns anzusehen, die meinen bloß unsere Devisen.
    So würden wir vielleicht auf Handwerker bestechend wirken, aber wo du Farbe herkriegst, Gesine, einen Wasserhahn, ein Stück Fensterglas – da helf dir Gott. Wirst du wohl öfter nach Frankfurt reisen, in einer Luft-Stadtbahn, die selten verkehrt. Wenn du mal Zwiebeln brauchst. Aber wie wir dich kennen, hast du nach vier Wochen Freunde in einem Dorf, Gesine. Und damit ich dich besser fressen kann am Main, Gesine. À dieu, yours, truly –
    – Eine Empfehlung an meinen Professor Erickssen! wünscht sich Wes zum Abschied, und begleitet Mrs. Cresspahl hinter seiner fünfzehn Meter langen Bar, bis sie den Ausgang gewinnt, im Rücken die ehrfurchtsvollen Blicke der übrigen Herren. War ein Ehrengast, war die Dame. Hat gegessen und getrunken auf Kosten des Hauses. Frau von einem Flugzeugkonstrukteur oder so.
    Mrs. Cresspahl geht spazieren, den ganzen Weg bis zur Oberen Westseite. In der 42. Straße kommt sie vorbei an einem Laden, da gibt es den SPIEGEL zu kaufen; sie möchte dem alten Mann in der 96. Straße treu bleiben. – Hab ich längst für dich beiseite gebracht, Schwester! sagt der. Daß wie in deinen Lebenstagen / die Uhren gehn, die Glocken schlagen –
    Am Riverside Drive ist de Rosnys Telegramm, unterzeichnet von Kennicott II ; Radio WKCR bringt ab siebzehn Uhr »Jazz und die Avantgarde«, Kompositionen von Eaton, Monk, Tristana, Taylor, das überspielen wir auf Band für D. E. Es gibt Krankheiten, bei denen ist Musik lebensgefährlich.
     
    – Mrs. Cresspahl, wir geben Ihnen Berlin.
    – Gesine! Sprich! Laß mich deine Stimme hören!
    – Hier spricht deine Schulfreundin Cresspahl.
    – Sag das Datum, den Wochentag!
    – Anita, was weinst du.
    – Deine Stimme!
    – Mittwoch. Siebenter August.
    – Du bist es wirklich.
    – Leider ja.
    – Seit heute früh ruf ich an, alle Stunde, und immer sagt das Fernamt: der Anschluß ist abgeschaltet.
    – Bauarbeiten in der Bank.
    – Gezittert hab ich vor Angst!
    – Anita, ich mach das anders als meine Mutter. Solange ich für ein Kind sorgen muß, versuch ich zu leben. Hab auch keinen Mann, dem ich ein Kind überlassen könnte.
    – Du versprichst es.
    – Ja. Bitte, deinen Ratschlag.
    – Bleibt es bei Prag, mit Marie?
    – Wenn es nach mir geht.
    – Sie schmeißt um, wenn du ihr das sagst. Anfangs war ich dafür. Aber es fehlt der Sarg, den sie sehen kann.
    – Und zehn Jahre lang wird sie gegen mich halten, daß sie es einen Tag zu spät erfuhr.
    – Versuch es. In Prag, ab 20., da helf ich dir. Erlaubst du, daß ich nach Helsinki gehe?
    – Wenn ich wüßte wozu. Da ist alles weg.
    – Eben das will ich mir ansehen.
    – Aber erst davon erzählen, wenn ich es verlange. Erst in Prag.
    – Ty snajesh, Gesine. Was tust du heute noch?
    – Was tut eine doppelte Witwe, die von ihren Beerdigungen beide verpaßt? Ich hör Musik.
    – Das ist Gift, Gesine!
     
    Wer da an der Tür kratzt, ist unser Robinson Adlerauge, der bringt zwei kostbar verschnürte Pakete, mit der Visitenkarte, den herzlichen Grüßen, der Wohnanschrift von Mrs. Collins aus Astoria, Queens. Gestern vormittag hab ich noch gelebt. Hinter Mr. Robinson erscheint Marie, begeistert und vorfreudig auf das Auspacken der Koffer. Nun geht das Lügen an.
     
    – Warum trägst du indoors eine Sonnenbrille, Gesine? Indoors …
    – Im Hause. In der Bank sind Handwerker. Hab ich mich am Auge gestoßen.
    – Warst du bei Dr. Rydz?
    – Bei einem anderen Arzt. Ich soll die Augen schonen so für drei Tage.
    – Hast du Schmerzen.
    – Ja. Und Tabletten.
    – Ich habe mich gefragt –. Aber du bist müde?
    – Frag du nur. Langsam, das bin ich.
    – Wird es ein Abend wie sonst auch?
    – Wollen wir etwas anders machen?
    – Indem ich koche, obwohl du an der Reihe bist. Mir schwant, das war

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