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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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noch anders mit dem August 1951, als Cresspahl dich aus dem Weg haben wollte nach Wendisch Burg.
    – Im Juli machte die Staatssicherheit Haussuchung bei Cresspahl. Der Vorwand war, daß er inzwischen viel Geld bekam für seine Arbeit, mehr als die Rente. In Wahrheit ging es dem Staat über den Verstand, daß er einem Menschen Unrecht zufügen kann ein zweites und ein drittes Mal, und immer noch hütet dieser Cresspahl sich vor dem Gesetz. Das andere, das fing früher an.
    – Ist es etwas mit Jakob?
    – Auch mit Jakob. Weil etwas umgekehrt galt: wie ich viele Leute, so haben ein paar mich gern gehabt.
    – Da weiß ich einen, der reist in der Scandinavian –
    – In der Finnair.
    – und freut sich auf dich.
    – Und auf dich. Weil du noch hübscher bist als ich.
    – Gesine! Das Papenbrocksche Haar!
    – Die Witwe Papenbrock, die war mucksch gegen das Haus Cresspahl. Denn als die Staatsmacht nach Alberts Tod seinen Stadtpalast samt Speicher einzog, wartete die Olsch auf die Einladung zu uns zu ziehen. Dafür riskierte Cresspahl keinen Finger. Wir hätten ja kirchliche Herrschaft ins Haus bekommen. Fuhr sie ab nach Lüneburg, da war noch übrig von Alberts Grundbesitz. Weil wir nun hofften auf einen letzten Abschied, brachten wir sie an die hamburger Eisenbahn. Die wollte mir wenig wohl, dennoch sagte sie wider Willen: Wenigstens hast du unser Haar.
    – Und dein Busen, schön hoch angewachsen.
    – Sieh an, Marie. Na, warte! Mein Busen, das war mehr eine Vermutung unter den jungen Herren von 1950, nackt hat den keiner gesehen.
    – Das wünschten sie sich.
    – Da war ich ungefällig, das hat meinem Leumund geschadet. Denn wenn einer vergeblich sich eine Geschichte träumte mit mir, so erfand er sich eine und erzählte sie umher.
    – Das ist wie Unkraut.
    – Das wächst nach. Einer war literarisch beschlagen, der steckte mir einen Zettel in die Tasche mit einem Zitat, das ging etwa so: »Nicht, daß Gesine mit einem Male ein zartbesaiteter, ein sensibler Mensch geworden wäre. Sie blieb, die sie war. Selbstbewußt und kleinmütig, gierig und feige, sehnsüchtig nach allen Dingen des ›großen und feinen Lebens‹, wie es nun auch noch in den Kinematographentheatern zu sehen war.« Bis ich das heraus hatte! Es war eine Gesine in einem Roman.
    – Finde ich schade.
    – Sieh einmal bei unseren Kochbüchern nach. Da ist eins aus dem Jahre 1901, verlegt zu New York bei Appleton and Company, European and American Cuisine heißt es, verfaßt von der Haupteigentümerin und Vorsteherin des Brooklyn Cooking College, was für einen Namen hatte die?
    – »Gesine Lemcke«. Finde ich ärgerlich.
    – Wie du heißen noch andere Kinder.
    – Ich wünschte, du hättest deinen Namen für dich allein.
    – Ich bekam ihn, weil Cresspahl einmal weggehen wollte über Land und Meer mit der Gesine Redebrecht aus Malchow. Du deinen von Jakobs Mutter.
    – Eines stimmt ja. Selbstbewußt warst du. Bist du.
    – Das ist leicht, wenn Jakob einen hütet wie seine Schwester.
    – Keine Küsse nach der Tanzstunde?
    – Auch damit hab ich gewartet.
    – Soll ich was lernen?
    – Du willst was erzählt. Auch gab es Verehrer, denen genügte es, wenn ich ungefähr von ihnen wußte. Einer saß fast vier Jahre in meiner Klasse. 1951 schrieb der an die Tafel: »›Effi Briest‹, für mein Gefühl sehr hübsch, weil viel e und i darin ist; das sind die beiden feinen Vokale.« Fontane.
    – Du wußtest, wer.
    – Und weil ich ihm nun einmal das Gewünschte vorenthalten mußte, gedenke ich wenigstens, seinen Namen zu verschweigen. Überhaupt ist mir, als würd ich nun ungenau sein mit Namen. Denn wenn Cresspahl an Knoop ein dänisches Geschäft gescho – vermittelt hatte, wird auch Gesine zum Begießen eingeladen auf ein Boot, eine Jacht im Hafen von Wismar. Wir wollen dem Menschen keinen Ärger machen wegen seiner unpatriotischen Händel mit dem kommunistischen Deutschland; aber bedanken kann ich mich für eine Reise zu Schiff nach Dänemark.
    – Vorbei an der ostdeutschen Seekriegspolizei.
    – Die hatte 1950 noch keine Mauer schwimmen im Meer. Ein dänischer Segler kann alles, macht alles, der schmuggelt auch ein Mädchen an Bord. Solange Cresspahl das wußte, solange es abging im ordentlichen Ton zwischen junger Dame und älterem Herrn (um die Dreißig) ohne Kuß auf Wange, wollt ich recht gern navigieren lernen.
    – Gesine, du warst mit Siebzehn auf Ferien in Dänemark! Deswegen hast du mir Bornholm gezeigt!
    – Da hieß es den Mund

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