Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl
denen sei das Kratzen mehr ein symbolischer Akt. Die Katzen aber möchten vergraben, was ihnen unlieblich in die Nase sticht. Ihretwegen muß der Blumengarten eingezäunt werden – finde du Draht hier!
– Schickte Gesine Kükendraht aus dem Westdeutschen.
Zum Dank für die Belehrung tat sie das. Inzwischen trauten Tonja und Feliks dem Kollegen Jakob aus Mecklenburg, obwohl er nach Luther erzogen war und in die Hölle kommen würde; von dem Erzbischof Josef Beran erzählten sie ihm. Am 7. Juni 1948 unterschrieb der Ministerpräsident Gottwald die neue Verfassung, weil der Präsident auf Lebenszeit, Eduard Beneš, sich geweigert hatte, und bat den Erzbischof um seine Begleitung zu einem Dankgottesdienst. Ein Jahr später aber wurde der Erzbischof von Prag am Predigen gehindert, im August seiner Rechte und seines Ausgangs beraubt, im März 1951 aus Prag verbannt. Was den Titularbischof von Olmütz anging, so war er am 2. Dezember 1950 verknackt worden zu fünfundzwanzig Jahren Gefängnis. Es gibt im Kommunismus Regierungen, da weiß man nie.
Und damit der Kollege Jakob in seine Heimat zurückfahre mit vollständigem Wissen um Olmütz, vertrauten die Eisenbahner ihm an, wofür die Stadt neuerdings berühmt war. Die Parfümkisten-Verschwörung war es, und keiner durfte es wissen. Die Bomben kamen in Prag an bei dem Vorsitzenden der Nationalsozialisten Peter Zenkl, dem Justizminister Prokop Drtina, dem Außenminister Jan Masaryk. Der Generalsekretär der Kommunisten erklärte in öffentlicher Versammlung, die Leute Peter Zenkls selber hätten die geschickt. Nun gab es bei Olmütz einen Tischler, Jan Kopka, den rührten die Fahndungen der Partei, denn er hatte die Kästen selber angefertigt und wußte auch wozu. Ging er sich melden, wurde von dem Oberpolizisten der Partei der Lüge beschuldigt und mußte dies als seine Aussage unterzeichnen. Noch waren die Demokraten im Justizministerium, die nahmen Kopka noch einmal fest, fanden bei ihm Maschinengewehre, Handgranaten, Munition. Kopka als Kommunist gab einen Genossen an in der Gesinnung, den Eisenbahner Opluštil; bei dem war ein noch größeres Arsenal, das hatte er beziehen müssen vom olmützer Parteisekretariat der Kommunisten, für eine Weigerung oder Plauderei bedroht: du könntest zerquetscht werden zwischen zwei Waggons, oder von einem Zug stürzen, und keiner wüßte, was da passiert ist. Das kündigte ihm der zweite Sekretär J. Juri-Sosnar an, der hatte die Parfümkastenbomben angefertigt mit eigener Hand, war überführt durch laufende Nummern in Olmütz; und wen hatte nun wieder der zum Auftraggeber? einen Alexej Čepička. Das war der Schwiegersohn von Klement Gottwald, so kam die Sache nie vor Gericht, und die Sache mit dem Erzbischof wirst du schon gehört haben, Jakob. Und wer mußte im nächsten Februar aus einem Fenster springen im dritten Stock? der ehemalige Justizminister Drtina. Und wofür saß er dann fünf Jahre und drei Monate? für falsche Anklagen auf versuchte Meuchelmörderei. Dafür sind wir hier in Olmütz berühmt, Jakob.
Jakob hatte in dem englischen Haushalt Cresspahls sich gewöhnt an Tee, der stand bei Tonja und Feliks bereit auf dem Stövchen (nur mit dem Saft frischer Zitronen haperte es; mit Teelichtern auch). Für einen jungen Mann in der Fremde, man muß doch sorgen, fährt Tonja eigens nach Brno, da hat es vorgestern Zitronen gegeben. Teelichter baut Feliks.
Tonja genierte sich für ihre Figur; Feliks war einverstanden.
Eine Liebschaft unter ihrer Aufsicht, die gönnte sie ihm; trotz des Schmerzes. Nur belogen (verraten) zu werden, das ging gegen ihre Selbstachtung. Selbstachtung müsse man sich bewahren.
Von Feliks lernte Jakob, das Niesen habe im Mittelalter gegolten als Anzeichen der Pest; daher die guten Wünsche. Was sagen denn deine Italiener dazu, Gesine.
Einer vom anderen dachten wir: tut er es, so ist es wohlgetan.
– So daß du rechtzeitig wußtest, worüber er sprechen wollte mit dir, Gesine?
Nun will Marie noch wissen, warum sie einen Brief von Jakob aus Mähren noch nie zu Gesichte bekommen hat. Weil er verwahrt liegt in Düsseldorf. Wird die Mutter schwören, daß es ihn gibt? Sie tut es, sie legt sich die Hand auf das Herz. (Und wenn’s ein Meineid war, ich tät’s gleich noch mal.)
Aber das Kind blickt auf einen Strand in Amerika. Neben den Ausflüglern wird gearbeitet; ein Schaufelbagger kriecht mit voller Schnauze auf seinen Ketten zu einer Molenspitze, schüttet die Ladung in das Netz eines Krans,
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