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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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schwer los. Das waren Gespräche, die sich lohnen. Mr. McIntyre nahm sich, jeweils mit Entschuldigungen, das Amt eines Lehrers heraus und brachte zu Gehör, wie man englische Worte ausspricht auf Amerikanisch, daß ein öffentlicher Festtag hier ein legaler ist und eine Proposition schlicht ein Vorschlag, statt wie bei den Engländern ein Vorschlag und ein Geschäft und ein Fall und eine Erwägung und ein Ausweg und ein Plan und ein Satz und eine Behauptung. Zwischen schweigsamen Herren, denen der Verlauf des Tages auch mißfallen hatte, die ihre Wünsche so einsilbig ausdrückten, daß Mr. McIntyre eine Abwehrstellung vorschützte. Einem war das Stück Eis lästig im Glas, er drückte es McIntyre in die Hand wie ein Trinkgeld; der sagte: Was ich mir immer gewünscht habe. Und ich redete mir ein, daß das Leben mir gefiele, weil in zehn Minuten der Bus des Kindergartens fällig war und der Klingeljunge Maries Namen sagen würde und sie in die Bar kommen, uns ernst und freundlich betrachtend wie Jakob, aber mit nun einem schamlosen Amerikanisch, das die Leute ihr abbettelten inzwischen. Dann gingen wir Hand in Hand auf der abfallenden Straße dem Riverside Park entgegen, und ich dachte zu leben genüge.
    1964 fing das an mit dem Heimweh nach New York inmitten New Yorks. Allein die Geräusche, sie verlangten das Geständnis, daß ich mich am Leben fühle. Obwohl doch die schweren roten Wagen der Feuerwehr unterwegs waren zu einer Gefahr, sausend inmitten des auf der Stelle tretenden Gewimmels aus niederen Autos, wie schon zu spät; obwohl die Helme und die schwarzen, gelbbestreiften Schutzmäntel der Besatzung befleckt waren von den älteren Zeiten, in denen das Unglück noch unhinderbar war, das Feuer wie die Pest; obwohl der kräftige, um eine Sekunde taumelnde Sirenenton wie das tierische Röhren des Horns klangen nach der hergebrachten Angst; obwohl der Fachmann am Schluß der tüchtigen Technik den überlangen Wagen so nachlässig aussteuerte, als nähme er einen Unfall hin in sportlicher Art.
    Im Juli 1964 erschoß ein Polizist, über einen Meter achtzig groß, zwei Zentner schwer, einen schmächtigen Negerjungen, der mit anderen einen rosahäutigen Bürger belästigt hatte mit Flaschenwürfen und Mülltonnendeckeln. Vier Nächte und drei Tage kämpften die Leute von Harlem mit Cocktails à la Molotow, Ziegelsteinen, Plünderei, Brandstiftung gegen die Blauen Jungs von New York mit ihren Stahlhelmen, Holzknüppeln, Revolvern, Tränengas. Noch Wochen danach trug eine Deutsche in der Stadt ihren Paß bei sich als ausländischen Ausweis.
    1965 im März begann das amerikanische Militär mit dem Abwerfen von Brandbomben über Viet Nam, Napalm.
    In einer Bank in New York City wurde das Bürozimmer einer Fremdsprachensekretärin außen links vor der Tür versehen mit dem auswechselbaren Schild MRS. CRESSPAHL.
    Als am 9. November um 17 : 28 Uhr die Lichter ausgingen im Norden der U. S. A., war das verbrieften New Yorkern ungeheuer. Eine Fremde, die sich Heimat hatte erschmeicheln wollen durch Nachlesen, sie erinnerte sich an den August 1959, da war der Strom ausgefallen für dreizehn Stunden in dem Gebiet zwischen den Flüssen Hudson und East, von der 74. bis zur 110. Straße; denn es gehörte zur Geschichte der Oberen Westseite von Manhattan, ihrer Gegend. Sie erinnerte sich an den Juni 1961; am heißesten Tag des Jahres standen Untergrundbahnzüge still, blieben Aufzüge hängen. Für die Verdunklung von 1965 hat ein jeder seine ureigene Geschichte; da Mrs. Cresspahl ihren Weg fand über die Feuertreppen der Bank auf die Straße und zu Fuß ging von Stadtmitte bis an den Riverside Drive und doch eine Geschichte anbieten soll, erzählt sie von dem Schaffner des dieselbetriebenen Wolverine Express, der ihr im Bahnhof Grand Central eine Schlafwagenkarte nach Detroit aufgeschwatzt habe. Sie nickt, wenn Einer den Unfall erklärt mit dem Versagen eines Computers in der Schaltstelle des Verbundsystems, das die Niagara-Kraftwerke überwachen soll; sie gibt zweifelnd zustimmende Laute von sich, hängt einer fest an dem Verdacht, das Militär habe eine Übung für den Bürgerkrieg veranstaltet. Sie benötigt keine Allwissenheit; ihr genügt, sich leben gemerkt zu haben in dieser Nacht. Kam zum Kerzenlicht in ihren Fenstern am Park, dem Schattenumriß von Marie an in einem Zuhause.
    Die Abschiede wurden schwierig; obwohl sie das Tor waren zu Ferien in Dänemark, in Italien. 1966, an einem Abend im Copter-Club auf dem Dach des

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