Jahrmarkt der Eitelkeit
Kellners mit den zerrissenen Tanzschuhen brachte und die alte Dame in Schwarz aufgeweckt hatte, die zwischen alten, angeschlagenen Kaffeetassen an der Theke döste). »Wie geht es dem würdigen Alderman und der Lady, Ihrer vortrefflichen Mutter, Sir?« Beim Worte »Lady« blickte er sich nach dem Kellner um, als wollte er sagen: Hörst du, John, ich habe noch Freunde, und zwar Personen von Rang und Ruf. »Kommen Sie in Geschäftsangelegenheiten zu mir, Sir? Meine jungen Freunde Dale und Spiggot führen jetzt alle Geschäfte für mich, bis mein neues Kontor fertig ist; ich bin nämlich nur vorübergehend hier, wissen Sie, Hauptmann. Was können wir für Sie tun, Sir? Wollen Sie etwas zu sich nehmen?«
Stockend und stotternd beteuerte Dobbin, daß er weder Hunger noch Durst verspüre, daß er nicht geschäftlich gekommen sei, sondern nur, um zu fragen, ob es Mr. Sedley gut gehe, und um einem alten Freund die Hand zu drücken. Und er stellte verzweifelt die Wahrheit auf den Kopf, als er hinzufügte: »Meiner Mutter geht es gut – das heißt, sie war krank und wartet jetzt bloß auf den ersten schönen Tag, um auszugehen und Mrs. Sedley einen Besuch abzustatten. Wie geht es Mrs. Sedley, Sir? Hoffentlich ist sie wohlauf.« Hier hielt er inne und überlegte sich seine vollendete Heuchelei, denn der Tag war so schön, und die Sonne strahlte wie nur je in Coffin Court, wo das Tapioka-Kaffeehaus liegt. Und Mr. Dobbin erinnerte sich, daß er Mrs. Sedley noch vor einer Stunde gesehen hatte, als er Osborne in seiner Gig nach Fulham gefahren und dort tête-à-tête mit Miss Amelia zurückgelassen hatte.
»Meine Frau wird sich sehr freuen, Lady Dobbin zu sehen«, erwiderte Sedley und zog seine Papiere hervor. »Ich habe hier einen sehr freundlichen Brief von Ihrem Vater, Sir, bitte, richten Sie ihm meine ehrerbietigsten Komplimente aus. Lady Dobbin wird unser Haus jetzt etwas kleiner vorfinden als das, in dem wir sonst unsere Freunde empfingen; aber es ist nett, und die Luftveränderung tut meiner Tochter gut, die in der Stadt etwas leidend – Sie erinnern sich doch der kleinen Emmy, Sir? –, ja sehr leidend war.«
Während der alte Herr sprach, irrten seine Augen umher, und wie er so dasaß und auf seine Papiere trommelte und mit der alten roten Schnur spielte, dachte er an etwas ganz anderes.
»Sie sind Militär«, fuhr er fort, »ich frage Sie, Bill Dobbin, hätte jemand ahnen können, daß der korsische Schurke je von Elba zurückkommen würde? Als die alliierten Monarchen im verflossenen Jahre hier waren und wir ihnen in der City ein Essen gaben, Sir, und den Tempel der Eintracht, das Feuerwerk und die chinesische Brücke im Sankt-James-Park sahen – konnte da ein vernünftiger Mensch denken, daß nicht wirklich Friede geschlossen sei, nachdem wir doch deswegen schon ein Tedeum gesungen hatten, Sir? Ich frage Sie, William, konnte ich vermuten, daß der Kaiser von Österreich ein verdammter Verräter sei – ein Verräter und nichts anderes? Ich will es nicht beschönigen – ein scheinheiliger, teuflischer Verräter und Intrigant, der die ganze Zeit über beabsichtigte, seinen Schwiegersohn zurückzuhaben. Und ich sage, Bonys Flucht von Elba war ein verdammter Betrug und ein Komplott, Sir, an dem die Hälfte der europäischen Mächte beteiligt war, um die Staatspapiere zu drücken und unser Land zu ruinieren. Deshalb bin ich hier, William. Deshalb steht mein Name in der ›Gazette‹. Warum, Sir? Weil ich dem Kaiser von Rußland und dem Prinzregenten getraut habe. Sehen Sie her. Sehen Sie meine Papiere an. Sehen Sie, wie sie am ersten März standen, wie die französischen Fünfprozentigen standen, als ich sie erwarb. Und wie stehen sie jetzt? Das war ein abgekartetes Spiel, Sir, sonst wäre der Schurke gewiß nie entkommen. Wo war der englische Kommissar, der ihn fliehen ließ? Man sollte ihn erschießen, Sir, sollte ihn vor ein Kriegsgericht stellen und erschießen, beim Zeus!«
»Wir werden Bony bald davonjagen, Sir«, sagte Dobbin, etwas beunruhigt von der Wut des alten Mannes, dessen Stirnadern zu schwellen begannen und der mit geballter Faust auf seine Papiere trommelte. »Wir werden ihn bald davonjagen, Sir, der Herzog ist bereits in Belgien, und wir erwarten täglich Marschbefehl.«
»Gebt ihm keinen Pardon. Bringt den Kopf des Halunken mit! Schießt den Feigling nieder!« brüllte Sedley. »Ich würde selbst ins Feld ziehen, beim ..., aber ich bin ein gebrochener, alter Mann – ruiniert von diesem
Weitere Kostenlose Bücher