Jahrmarkt der Eitelkeit
dem der Erbin machte ihm die Vorstellung einer Verbindung mit dieser doppelt lächerlich und verhaßt. Kutsche und Opernlogen, dachte er, man stelle sich vor, sie sehen einen darin an der Seite einer solchen mahagonifarbenen Zauberin! Zu alledem war Osborne junior ebenso eigensinnig wie Osborne senior; ebenso standhaft in seinem Entschluß, etwas, was er sich in den Kopf gesetzt hatte, zu erreichen; ebenso heftig im Zorn wie sein Vater in den schlimmsten Augenblicken.
An dem Tage, an dem ihm sein Vater allen Ernstes den Wink gab, seine Liebe Miss Swartz zu Füßen zu legen, versuchte George, bei dem alten Herrn Zeit zu gewinnen. »Du hättest eher daran denken müssen, Vater«, sagte er. »Jetzt, wo wir jeden Tag Marschbefehl erwarten, geht es nicht. Warte bis zu meiner Rückkehr, falls ich zurückkehre.« Er stellte ihm vor, daß die Zeit, wo das Regiment täglich erwartete, England zu verlassen, durchaus schlecht gewählt sei und daß die wenigen Tage in der Woche, an denen sie noch zu Hause sein durften, Geschäften und nicht Liebeleien gewidmet sein müßten. Dafür bliebe immer noch genug Zeit, wenn er als Major zurückkomme, »denn ich verspreche dir«, sagte er mit selbstzufriedener Miene, »du wirst den Namen George Osborne auf die eine oder andere Art in der ›Gazette‹ lesen können.«
Die Antwort des Vaters darauf gründete sich auf die Auskunft, die er in der City erhalten hatte, daß nämlich die Erbin unfehlbar einem der faulen Kunden von West End in die Hände fallen würde, wenn man sich nicht beeilte. Wenn er sich schon nicht schnell mit Miss Swartz trauen lassen wolle, so solle er wenigstens die Verlobung schriftlich bestätigen lassen und gleich heiraten, wenn er nach England zurückkehren würde. Ein Mensch, der zehntausend pro Jahr bekommen könne, wenn er zu Hause bliebe, sei ein Narr, sein Leben auswärts aufs Spiel zu setzen.
»Du möchtest also meinen Namen als den eines Feiglings bloßgestellt sehen, bloß um des Geldes von Miss Swartz willen«, fiel George ihm ins Wort.
Diese Bemerkung beunruhigte den alten Herrn etwas. Da er aber darauf zu antworten hatte und sein Entschluß gefaßt war, erwiderte er:
»Morgen ißt du mit uns, und sooft Miss Swartz kommt, bist du hier, um ihr deine Aufwartung zu machen. Wenn du Geld brauchst, dann sprich bei Mr. Chopper vor.«
Damit stellte sich Georges Plänen mit Amelia ein neues Hindernis in den Weg. Er und Dobbin hielten deshalb manche vertrauliche Beratung ab. Die Ansicht seines Freundes über sein künftiges Verhalten kennen wir bereits. Und wenn sich Osborne etwas in den Kopf gesetzt hatte, machten ihn ein paar Hindernisse um so entschlossener.
Das dunkle Opfer dieser vom Haupt der Osborneschen Familie angezettelten Verschwörung ahnte von all den Plänen rein gar nichts (seltsamerweise verriet auch ihre Freundin und Anstandsdame nichts davon). Sie erwiderte die ihr entgegengebrachte Liebe mit tropischer Glut, da sie alle Schmeicheleien der jungen Damen für echte Gefühle hielt und, wie bereits gesagt, von Natur aus sehr warmherzig und ungestüm war. Um der Wahrheit willen müssen wir hinzusetzen, daß selbstsüchtige Beweggründe sie zu dem Hause am Russell Square führten, kurz gesagt, daß sie George Osborne für einen sehr netten jungen Mann hielt. Schon am ersten Abend ihrer Bekanntschaft auf dem Ball bei Hulkers hatte sein Backenbart Eindruck auf sie gemacht, und bekanntlich war sie nicht die erste Frau, die davon bezaubert war. George war gleichzeitig arrogant und melancholisch und ungestüm. Er sah aus wie ein Mann voll Leidenschaft und Geheimnis, voll geheimen Kummers und voller Abenteuer. Seine Stimme war wohltönend und tief. Er konnte in so traurigem und vertraulichem Ton seiner Partnerin ein Eis anbieten oder sagen, es sei ein warmer Abend, als ob er ihr den Tod ihrer Mutter mitteilen oder eine Liebeserklärung machen wollte. Er drückte alle jungen Stutzer an die Wand, die sich bei seinem Vater blicken ließen, und war der Held dieser drittrangigen Leute. Einige spöttelten über ihn und haßten ihn, andere wieder, unter ihnen Dobbin, bewunderten ihn fanatisch. Und sein Backenbart hatte angefangen, seine Wirkung zu tun und sich um das Herz von Miss Swartz zu winden.
Sooft die Aussicht bestand, George am Russell Square zu treffen, war dieses einfache und gutmütige junge Ding ganz aufgeregt, ihre lieben Osborne-Mädchen zu sehen. Sie stürzte sich in gewaltige Ausgaben für neue Kleider, Armbänder, Hüte und riesige
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