Jahrmarkt der Eitelkeit
höhere Militärs und Westend-Leute. Als die Mädchen sich zur Ruhe begeben hatten, besprachen Mr. und Mrs. Chopper die seltsamen Ereignisse, die in der Familie des Alten vor sich gingen. Noch nie hatte der Buchhalter seinen Prinzipal so erregt gesehen. Als Mr. Chopper nach Hauptmann Dobbins Weggang Mr. Osbornes Zimmer betrat, fand er seinen Prinzipal ganz schwarz im Gesicht und einer Ohnmacht nahe. Er glaubte bestimmt, ein furchtbarer Streit mußte zwischen Mr. Osborne und dem jungen Hauptmann stattgefunden haben. Chopper hatte den Auftrag erhalten, eine Aufstellung aller während der letzten drei Jahre an Hauptmann Osborne gezahlten Summen anzufertigen. »Wahrhaftig, das war ein schöner Haufen Geld, den er bekommen hat«, sagte der erste Buchhalter und achtete seinen alten und jungen Herrn um so mehr wegen der verschwenderischen Freigebigkeit, mit der die Guineen hinausgeworfen worden waren. Der Streit mußte wegen Miss Sedley entstanden sein.
Mrs. Chopper beteuerte, daß ihr die arme junge Dame, die einen so hübschen jungen Mann wie den Hauptmann verloren habe, leid tue. Mr. Chopper dagegen empfand für Miss Sedley als der Tochter eines unglücklichen Spekulanten, der nur eine schäbige Dividende gezahlt hatte, keine sonderliche Achtung. Er schätzte das Haus Osborne vor allen anderen in der City, und er hoffte und wünschte, daß Hauptmann George die Tochter eines Edelmannes heiraten möchte. Der Buchhalter schlief in dieser Nacht viel besser als sein Prinzipal. Nachdem er sein Frühstück mit bestem Appetit verzehrt (obgleich sein bescheidenes Lebenselixier nur mit braunem Zucker gesüßt wurde) und seine Kinder geherzt hatte, machte er sich im besten Sonntagsanzug und im schönsten Hemd auf den Weg zum Büro. Seiner Frau, die ihn voller Bewunderung ansah, versprach er, Hauptmann Dobbins Portwein am Abend nicht allzusehr zuzusprechen.
Als Mr. Osborne zur gewöhnlichen Zeit in der City erschien, fiel seinen Untergebenen, die aus guten Gründen auf seinen Gesichtsausdruck zu achten pflegten, auf, daß er besonders bleich und angegriffen aussah. Um zwölf Uhr kam, wie verabredet, Mr. Higgs (von der Firma Higgs und Blatherwick, Rechtsanwälte, Bedford Row) und wurde in das Privatzimmer des Alten geführt, wo er länger als eine Stunde blieb. Ungefähr um ein Uhr erhielt Mr. Chopper ein Billett von Hauptmann Dobbins Diener gebracht. Es enthielt eine Einlage für Mr. Osborne, die der Buchhalter sogleich abgab. Kurze Zeit darauf wurden Mr. Chopper und Mr. Birch, der zweite Buchhalter, gerufen und ersucht, ein Dokument als Zeugen zu unterschreiben. »Ich habe ein neues Testament gemacht«, sagte Mr. Osborne, worauf die Herren es unterschrieben. Eine weitere Unterhaltung fand nicht statt. Mr. Higgs sah sehr ernst aus, als er in das Vorzimmer trat, und blickte Mr. Chopper scharf ins Gesicht. Erklärungen wurden aber nicht gegeben. Zum großen Erstaunen derjenigen, denen Mr. Osbornes finsteres Gesicht unheilverkündend erschienen war, war der alte Herr den ganzen Tag über besonders ruhig und sanft. Er schimpfte mit niemandem, und man hörte ihn überhaupt nicht fluchen. Er verließ das Kontor ziemlich früh. Ehe er wegging, bestellte er seinen ersten Buchhalter noch einmal zu sich und fragte ihn, nach einigen allgemeinen Anweisungen, zögernd, ob er wisse, ob Hauptmann Dobbin in der Stadt sei.
Chopper sagte, er glaube, ja. In Wirklichkeit aber wußten es beide ganz genau.
Osborne gab dem Buchhalter nun einen an den Offizier gerichteten Brief und bat ihn, das Schriftstück sofort Dobbin persönlich auszuhändigen.
»Und nun, Chopper«, sagte er mit sonderbarem Blick und griff nach seinem Hut, »hat meine Seele Ruhe.« Schlag zwei (zweifellos waren die beiden verabredet) kam Mr. Frederick Bullock, und er und Mr. Osborne gingen davon.
Der Oberst des ...ten Regiments, in dem die Herren Dobbin und Osborne ihre Kompanien hatten, war ein alter General, der seinen ersten Feldzug unter Wolfe 4 in Quebeck mitgemacht hatte und schon längst viel zu alt und schwach für das Kommando war. Aber er zeigte einiges Interesse an dem Regiment, dessen notarielles Haupt er war, und hielt offene Tafel für einige unter seinen jungen Offizieren – eine Art Gastfreundschaft, die heute, wie ich glaube, bei seinen Kameraden nicht allzu häufig vorkommt. Hauptmann Dobbin stand bei diesem alten General in besonderer Gunst. Dobbin war mit der Militärliteratur vertraut und konnte vom Großen Friedrich, von Maria Theresia und deren Kriegen
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