Jahrmarkt der Eitelkeit
Erinnerungsstücke nach dem anderen zu betrachten und zu grübeln. Seine teuerste Eitelkeit, sein brennender Ehrgeiz, seine schönsten Hoffnungen lagen hier. Wie stolz war er auf seinen Jungen gewesen! Er war das schönste Kind, das man je gesehen hatte. Alle sagten, er sehe wie der Sohn eines Edelmannes aus. Eine königliche Prinzessin hatte ihn einmal in den Kew Gardens bemerkt, ihn geküßt und nach seinem Namen gefragt. Welcher Mann in der City konnte so einen Sohn aufweisen? Hätte der Prinz mehr umsorgt werden können? Sein Sohn hatte alles, was für Geld zu bekommen war. Bei Schulschlußfeiern pflegte er vierspännig und mit neuen Livreen zur Schule zu fahren und neue Shillings unter Georges Mitschülern zu verteilen. Als er George zum Regimentshauptquartier begleitete, ehe der Junge sich nach Kanada einschiffte, gab er den Offizieren ein Essen, an dem auch der Herzog von York hätte teilnehmen können. War je ein Wechsel, von George ausgestellt, unbezahlt geblieben? Da lagen sie – bezahlt, ohne daß er je ein Wort verloren hätte. Mancher General in der Armee hatte nicht solche Pferde, wie George sie ritt. Er hatte das Kind noch vor Augen in hundert verschiedenen Situationen: nach dem Essen, wenn er stolz wie ein Lord hereinkam und an der Seite seines Vaters oben am Tisch sein Glas austrank; auf einem Pony in Brighton, wo er die Hecke nahm und mit dem Jäger Schritt hielt; am Tage, als er dem Prinzregenten beim Lever vorgestellt wurde, wobei der ganze Sankt-James-Palast keinen hübscheren Burschen aufweisen konnte. Und das war nun das Ende vom Lied! Die Tochter eines Bankrotteurs zu heiraten und angesichts Pflicht und Glück zu flüchten. Unter welcher Demütigung und Wut, welchen Qualen schmerzlichen Zorns, vereitelten Ehrgeizes und getäuschter Liebe, welchen Wunden beleidigter Eitelkeit, ja sogar Zärtlichkeit hatte dieser alte Weltmann nun zu leiden!
Nachdem Georges unglücklicher Vater diese Papiere durchgeblättert hatte und im bittersten allen hilflosen Wehs an vergangene glückliche Zeiten zurückgedacht und diesem und jenem nachgesonnen hatte, nahm er sämtliche Dokumente aus der Schublade, in der er sie so lange aufbewahrt hatte, und verschloß sie in einem Schreibkästchen, das er verschnürte und siegelte. Dann öffnete er den Bücherschrank und langte die große, bereits erwähnte rote Bibel herunter – ein prachtvoll ausgestattetes Buch, selten gebraucht, und über und über von Gold glänzend. Das Titelbild stellte die Opferung Isaaks durch Abraham dar. Hier hatte Osborne, wie es Brauch war, auf dem Vorsatzblatt mit seiner großen Kaufmannshandschrift die Daten seiner Heirat, des Todes seiner Frau und die Geburtstage und Taufnamen seiner Kinder eingetragen. Zuerst kam Jane, dann George Sedley Osborne und schließlich Maria Frances und die Taufdaten von allen. Er ergriff eine Feder und strich Georges Namen auf der Seite sorgfältig aus. Als das Blatt ganz trocken war, stellte er das Buch wieder an seinen Platz zurück. Aus einer anderen Schublade, worin seine eigenen Privatpapiere lagen, nahm er ein Dokument und las es durch. Dann zerknüllte er es, zündete es an einer Kerze an und sah zu, wie es auf dem Kaminrost gänzlich verbrannte. Es war sein Testament. Als es in Asche zerfallen war, setzte er sich nieder, schrieb einen Brief und klingelte nach seinem Diener. Er beauftragte ihn, das Schriftstück am Morgen zu bestellen. Es war bereits Morgen. Als er ins Bett ging, erhellte die Sonne schon das ganze Haus, und die Vögel sangen in den frischen grünen Bäumen am Russell Square.
Von dem Wunsche beseelt, Mr. Osbornes Familie und Untergebene in guter Laune zu erhalten und George im Augenblick der Not so viele Freunde wie möglich zu gewinnen, ließ William Dobbin, der die Wirkung eines guten Essens und guten Weines auf die Menschenseele kannte, in sein Hotel zurückgekehrt, sofort dem gnädigen Herrn Thomas Chopper eine gastfreundliche Einladung zugehen. Darin bat er diesen Gentleman, am folgenden Tage mit ihm bei Slaughters zu speisen. Mr. Chopper erhielt die Einladung, noch ehe er die City verließ, und die umgehende Antwort lautete, daß »Mr. Chopper Hauptmann Dobbin seine respektvollsten Empfehlungen sende und sich die Ehre und das Vergnügen geben werde, Hauptmann Dobbin seine Aufwartung zu machen.« Die Einladung sowie der Entwurf der Antwort wurden nach seiner Heimkunft am Abend Mrs. Chopper und ihren Töchtern vorgelegt, und man sprach nun während des Tees triumphierend über
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