Jahrmarkt der Eitelkeit
dem Treffen sein Gepäck bei der Nachhut in Sicherheit bringt, so hatte auch Rebekka wohlweislich ihr wertvollstes Eigentum in Koffer gepackt und sie unter der Aufsicht von Georges Diener mit der Postkutsche nach London geschickt. Rawdon fuhr mit seiner Frau am nächsten Tag mit demselben Fahrzeug zurück.
»Ich hätte das alte Mädchen vor unserer Abreise gern noch einmal gesehen«, sagte Rawdon. »Sie sieht so krank und verändert aus, daß sie es gewiß nicht mehr lange treiben kann. Möchte wohl wissen, wie hoch der Scheck bei Waxy ist. Zweihundert – es kann doch nicht weniger als zweihundert sein, meinst du nicht auch, Becky?«
Infolge der wiederholten Besuche der beiden Herren, die wir bereits beschrieben haben, kehrten Rawdon und seine Frau nicht zu ihrer Wohnung in Brompton zurück, sondern stiegen in einem Gasthaus ab. Früh am nächsten Morgen hatte Rebekka Gelegenheit, sie zu sehen. Sie war unterwegs zu der alten Mrs. Sedley in Fulham, um ihre liebe Amelia und ihre Freunde von Brighton zu besuchen, und dabei kam sie an der Vorstadt vorbei. Sie waren alle nach Chatham und von dort nach Harwich gegangen, um sich mit dem Regiment nach Belgien einzuschiffen. Rebekka traf die gute alte Mrs. Sedley sehr gedrückt und in ihrer Einsamkeit weinend an. Als sie von dem Besuch zurückkam, fand sie ihren Mann, der in Gray's Inn gewesen war und dort sein Schicksal erfahren hatte. Wütend war er zurückgekommen.
»Beim Zeus, Becky«, sagte er, »sie hat mir nur zwanzig Pfund gegeben!«
Obgleich es sie beide betraf, war der Spaß doch zu gelungen, und Becky brach über Rawdons langes Gesicht in schallendes Gelächter aus.
26. Kapitel
Zwischen London und Chatham
Als unser Freund George Brighton verließ, fuhr er, wie es sich für einen Mann von Rang und Welt, der vierspännig reist, gehört, mit Pomp an einem vornehmen Hotel am Cavendish Square vor, wo eine Flucht prächtiger Zimmer und eine Tafel, verschwenderisch mit Silber gedeckt und umgeben von einem halben Dutzend schweigsamer Kellner in Schwarz, für die beiden Neuvermählten bereit waren. George machte mit fürstlicher Miene Joseph und Dobbin die Honneurs, und Amelia führte zum erstenmal schüchtern und ängstlich den Vorsitz am »eigenen Tisch«, wie George es nannte.
George schimpfte über den Wein und kommandierte die Kellner herum wie ein König, und Joe schlürfte mit Behagen die Schildkrötensuppe. Dobbin tat ihm auf, denn die Dame des Hauses, vor der die Terrine stand, kannte den Inhalt so wenig, daß sie Mr. Sedley auftun wollte, ohne ihm Schildkrötenfleisch zu geben.
Die Pracht des Essens und des Zimmers, in dem es gereicht wurde, beunruhigte Mr. Dobbin, und als die Mahlzeit vorüber war und Joe in dem großen Lehnsessel eingeschlafen war, machte er seinem Freund Vorhaltungen. Aber vergebens protestierte er gegen die Verschwendung von Schildkrötensuppe und Champagner, die einem Erzbischof Ehre gemacht hätten. »Ich bin stets gewohnt gewesen, wie ein Gentleman zu reisen«, sagte George, »und verdammt noch mal, meine Frau soll reisen wie eine Lady. Solange ich noch Pulver auf der Pfanne habe, soll sie keinen Mangel leiden«, sagte der hochherzige Bursche, sehr zufrieden mit seiner Großartigkeit. Dobbin machte nun keinen Versuch, ihn zu überzeugen, daß Amelias Glück nicht von Schildkrötensuppe abhing.
Kurz nach dem Essen fragte Amelia schüchtern, ob sie ihre Mutter in Fulham besuchen dürfe. Etwas unwillig erlaubte es George. Sofort trippelte sie in ihr riesiges Schlafzimmer mit dem riesigen Paradebett in der Mitte, worin »dem Zar Alexander seine Schwester geschlafen hat, als die alliierten Herrscher hier waren«. Eilig und vergnügt setzte sie den Hut auf und legte sich den Schal um. George saß noch bei seinem Rotwein, als sie in den Speisesaal zurückkam, und machte keine Anstalten aufzubrechen. »Willst du mich nicht begleiten, Liebster?« fragte sie. Nein, der »Liebste« hatte an jenem Abend »dienstlich« zu tun. Sein Diener sollte ihr einen Wagen holen und sie begleiten. Als der Wagen vor der Hoteltür stand, machte Amelia George einen kleinen enttäuschten Knicks, nachdem sie ein paarmal vergeblich versucht hatte, ihm ins Gesicht zu blicken. Sie ging mit Hauptmann Dobbin traurig die große Treppe hinab. Er half ihr beim Einsteigen und blickte dem Fahrzeug nach, als es losfuhr. Sogar der Diener schämte sich, dem Droschkenkutscher vor den Ohren der Hotelkellner die Adresse zu sagen. Er erklärte deshalb, er wolle ihm Bescheid
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