Jahrmarkt der Eitelkeit
das Drama nun vorüber wäre, die Zweifel und Kämpfe des Lebens zu Ende, im Laufe der Ehe alles grün und schön und Mann und Frau nun nichts anderes zu tun hätten, als Arm in Arm im Genuß vollkommensten Glückes langsam dem Alter zuzusteuern. Aber unsere kleine Amelia war eben erst am Ufer ihrer neuen Heimat angekommen, und schon blickte sie ängstlich zu den traurigen, freundlichen Gestalten zurück, die jenseits des Stromes standen und ihr Lebewohl winkten.
Die Mutter hielt es für notwendig, zu Ehren der jungen Frau was weiß ich für Empfangsvorbereitungen zu treffen. Nach den ersten überschäumenden Worten zog sie sich auf eine Weile von Mrs. George Osborne zurück und tauchte in die unteren Regionen des Hauses, in eine Art Wohnküche, hinab, wo Mr. und Mrs. Clapp sich aufhielten und abends, wenn sie das Geschirr gespült und die Lockenwickel entfernt hatte, Miss Flannigan, das irische Dienstmädchen, sich zu ihnen gesellte. Dort traf sie die nötigen Vorbereitungen für einen großartigen Festtee. Jeder Mensch drückt seine Liebe anders aus, und Mrs. Sedley schienen ein Brötchen und eine Menge Orangenmarmelade in einer kleinen Kristallschale für Amelia in ihrer interessanten Lage ganz besonders willkommene Erfrischungen zu sein.
Während unten alle diese Delikatessen zubereitet wurden, verließ Amelia den Salon und befand sich bald, fast ohne zu wissen wie, oben in dem Zimmerchen, das sie vor ihrer Heirat bewohnt hatte, und auf dem Sessel, auf dem sie so manche bittere Stunde zugebracht hatte. Sie schmiegte sich hinein, als ob er ein alter Freund wäre, und dachte über die vergangene Woche und das Leben vorher nach. Jetzt schon traurig und unsicher zurückzublicken, sich stets nach etwas zu sehnen, das, wenn es erreicht war, mehr Zweifel und Traurigkeit brachte als Freude – das war das Los unseres armen kleinen Geschöpfs, dieses harmlosen einsamen Wanderers in dem tosenden Menschengewühl auf dem Jahrmarkt der Eitelkeit.
Da saß sie nun und rief sich zärtlich das Bild von George zurück, vor dem sie vor ihrer Heirat gekniet hatte. Gestand sie sich ein, wie verschieden der wirkliche Mensch von dem herrlichen jungen Helden war, den sie angebetet hatte? Es braucht viele, viele Jahre – und der Mann muß wirklich sehr schlecht sein –, bis der Stolz und die Eitelkeit einer Frau solch ein Geständnis zulassen. Dann stiegen vor ihr Rebekkas funkelnde grüne Augen und ihr unheilvolles Lächeln auf und peinigten sie. So saß sie eine ganze Weile, in ihr übliches selbstsüchtiges Brüten versunken und in derselben teilnahmslosen und melancholischen Haltung, in der das ehrliche Dienstmädchen sie an dem Tag gefunden hatte, als sie ihr den Brief mit Georges erneutem Heiratsantrag hinaufbrachte.
Sie sah zu dem weißen Bettchen hin, das noch vor wenigen Tagen ihres gewesen war, und dachte, wie gern sie diese Nacht darin schlafen würde, um am Morgen, wie früher, unter dem Lächeln der Mutter zu erwachen. Dann dachte sie mit Schrecken an das große feierliche Damasthimmelbett in dem riesigen und düsteren Prachtschlafzimmer, das sie in dem vornehmen Hotel am Cavendish Square erwartete. Liebes weißes Bettchen! Wie manche lange Nacht hatte sie in die Kissen geweint! Wie oft war sie verzweifelt und hatte darin zu sterben gehofft! Und waren nicht jetzt alle ihre Wünsche erfüllt, und der Geliebte, den sie schon aufgegeben hatte, gehörte ihr für immer? Gute Mutter! Wie geduldig und zärtlich hatte sie an diesem Bett gewacht. Sie kniete daran nieder, und die verwundete, schüchterne, sanfte und liebende Seele suchte da Trost, wo unser kleines Mädchen, wie wir zugeben müssen, ihn bis dahin selten gefunden hatte. Bisher war die Liebe ihr Glaube gewesen, und das traurige, blutende, enttäuschte Herz begann nun zu fühlen, daß es einen anderen Tröster brauche.
Haben wir das Recht, ihr Gebet zu belauschen oder zu wiederholen? Das, mein Bruder, sind Geheimnisse und liegt außerhalb der Sphäre des Jahrmarkts der Eitelkeit, auf dem unsere Erzählung spielt.
Soviel sei gesagt: Als endlich zum Tee gebeten wurde, stieg unsere junge Dame weit froher die Treppe hinunter. Sie verzagte nicht und beklagte nicht ihr Schicksal. Sie dachte nicht an Georges Kälte oder an Rebekkas Augen, wie sie es in der letzten Zeit oft getan hatte. Sie ging hinunter, küßte den Vater und die Mutter, plauderte mit dem alten Herrn und machte ihn heiterer, als er seit langem gewesen war. Sie setzte sich an das Klavier, das Dobbin ihr
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