Jahrmarkt der Eitelkeit
war, schließlich verließ, brüllte er stundenlang. Er ließ sich erst durch das Versprechen seiner Mutter beruhigen, daß er am nächsten Tag zu seiner Amme zurück dürfe. Auch der Amme, die sich sonst wahrscheinlich über sein Scheiden gegrämt hätte, erzählte man, daß ihr das Kind bald zurückgebracht werde, und eine Zeitlang wartete sie ängstlich auf seine Rückkehr.
Unsere Freunde gehörten wirklich zu den ersten jenes Geschlechtes kühner englischer Abenteurer, die später den Kontinent überschwemmten und in allen europäischen Hauptstädten ihre Schwindeleien vollbrachten. Die Achtung vor dem Reichtum und der Ehre der Engländer war in jenen glücklichen Tagen von 1817/18 noch sehr groß. Sie hatten, wie man erzählt, damals noch nicht gelernt, mit der Hartnäckigkeit, die sie jetzt auszeichnet, zu feilschen. Europas große Städte waren damals noch nicht dem Unternehmungsgeist englischer Schurken geöffnet; während es jetzt kaum eine Stadt in Frankreich oder Italien gibt, wo nicht einige unserer edlen Landsleute mit ihrem protzigen, anmaßenden Benehmen, das wir überall zur Schau stellen, Gastwirte beschwindeln, leichtgläubige Bankiers mit gefälschten Wechseln betrügen und Wagenbauer um ihre Wagen, Goldschmiede um ihre Juwelen, unvorsichtige Reisende um ihr Geld und sogar öffentliche Bibliotheken um ihre Bücher bringen. Vor dreißig Jahren dagegen brauchte man nur der gnädige Herr aus England zu sein und in einem eigenen Wagen zu reisen, um überall Kredit zu bekommen, wo man ihn suchte. Damals betrogen die Gentlemen nicht, sondern wurden betrogen. Erst ein paar Wochen nach der Abreise der Crawleys bemerkte der Wirt des Hotels, worin sie während ihres Pariser Aufenthalts gewohnt hatten, seinen Verlust, nämlich erst nachdem Madame Marabou, die Putzmacherin, wiederholt mit einer kleinen Rechnung für Sachen, die sie Madame Crawley geliefert hatte, aufgetaucht war und erst als Monsieur Didelot von der Boule d'Or 5 im Palais-Royal ein halbes dutzendmal gefragt hatte, ob cette charmante 6 Milady, die Uhren und Armbänder bei ihm gekauft hatte, de retour 7 sei. Tatsächlich war nicht einmal die arme Gärtnersfrau, die Madames Kind gestillt hatte, nach den ersten sechs Monaten für die Milch der Menschenfreundlichkeit, die sie dem lebhaften und gesunden kleinen Rawdon gespendet hatte, bezahlt worden. Nein, nicht einmal die Amme war bezahlt worden – die Crawleys hatten zu große Eile gehabt, um an diese unbedeutende Schuld zu denken. Der Hotelwirt fluchte bis an sein Ende auf die englische Nation. Er fragte jeden Reisenden, ob er einen gewissen Oberst Lord Crawley kenne – avec sa femme – une petite dame, très spirituelle 8 . »Ah, Monsieur«, setzte er dann stets hinzu, »ils m'ont affreusement volé.« Es war traurig, seine Stimme zu hören, wenn er von dieser Katastrophe sprach.
Rebekkas Ziel bei ihrer Reise nach London war, eine Art Vergleich mit den zahlreichen Gläubigern ihres Mannes zu treffen, um ihnen einen Anteil von neun Pence bis zu einem Shilling pro Pfund zu bieten und damit ihrem Mann die Rückkehr in sein Vaterland zu sichern. Es ziemt uns nicht, alle ihre Schritte bei diesen schwierigen Verhandlungen zu verfolgen; als sie die Leute jedoch zu ihrer Zufriedenheit darauf aufmerksam machte, daß die Summe, die sie ihnen hier bieten könne, das gesamte verfügbare Kapital ihres Mannes sei, und sie überzeugt hatte, daß Oberst Crawley lieber auf dem Kontinent bleiben als nach England zu seinen unbezahlten Schulden zurückkehren würde, als sie ihnen bewiesen hatte, daß ihm unmöglich von anderer Seite Geld zufallen würde und daß sie auf Erden keine Aussicht mehr hätten, einen größeren Teil zu erhalten, als sie jetzt bieten konnte, brachte sie die Gläubiger des Obersten dahin, ihre Vorschläge einmütig anzunehmen, und sie kaufte mit fünfzehnhundert Pfund bar mehr als den zehnfachen Schuldbetrag.
Mrs. Crawley nahm bei diesem Geschäft keinen Rechtsanwalt. Die Sache war so einfach, »tun oder es bleiben lassen«, wie sie ganz treffend bemerkte, daß sie die Gläubiger veranlaßte, durch ihre Anwälte den Handel abzuschließen. Mr. Lewis, der Mr. Davids vom Lion Square vertrat, und Mr. Moss, der für Mr. Manasseh von der Cursitor Street arbeitete (beides waren Hauptgläubiger des Obersten), machten der Dame Komplimente darüber, wie glänzend sie ihr Geschäft betrieb, und beteuerten, daß keiner ihrer Berufskollegen sie übertreffen könnte.
Rebekka nahm die Gratulationen
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