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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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Biergeschichte. Allen Dienstboten war man den größten Teil des Lohnes schuldig und erhielt somit zwangsläufig ein Interesse am Haus wach. Tatsächlich wurde niemand und nichts bezahlt, weder der Schlosser, der das Schloß öffnete, noch der Glaser, der eine neue Scheibe einsetzte, noch der Wagenverleiher, von dem man die Kutsche gemietet hatte, noch der Kutscher, der sie lenkte, noch der Fleischer, der die Hammelkeule lieferte, noch die Kohlen, mit denen sie gebraten wurde, noch die Köchin, die sie mit Fett begoß, noch die Dienstboten, die sie aßen. Das ist, wie man mir erzählte, nicht selten die Art, in der Leute elegant von nichts leben.
    In einer kleinen Stadt können derartige Dinge nicht unbemerkt geschehen. Wir wissen dort, wieviel Milch unser Nachbar holt, und erspähen die Keule oder das Geflügel, das für sein Mittagessen ins Haus gebracht wird. So wußten wahrscheinlich die Curzon Street Nr. 200 und 202, was in dem Haus zwischen ihnen vorging, da die Dienstboten durch den Zaun miteinander verkehrten. Aber Crawley und seine Frau und auch seine Freunde wußten nichts von 200 und 202. Wenn man nach 201 kam, so gab es ein herzliches Willkommen, ein freundliches Lächeln, ein gutes Mittagessen und einen munteren Händedruck vom Gastgeber und seiner Frau, und es schien der Welt, als ob sie jährlich drei- bis viertausend hätten. Das hatten sie allerdings auch, zwar nicht an Geld, aber an Waren und Arbeit. Wenn sie den Hammelbraten auch nicht bezahlten, so hatten sie ihn doch – wenn sie kein Gold und Silber für ihren Wein ausgaben, wie sollten wir das wissen? Kein Mensch hatte besseren Rotwein auf der Tafel als der ehrliche Rawdon, keiner gab fröhlichere Diners, und nirgends wurde hübscher serviert. Seine Salons waren die nettesten, kleinsten, bescheidensten, die man sich denken kann. Rebekka hatte sie mit dem feinsten Geschmack und tausend Pariser Kleinigkeiten ausgestattet, und wenn sie am Klavier saß und fröhlichen Herzens ihre Lieder trällerte, so glaubte sich der Fremde in ein kleines Paradies häuslicher Behaglichkeit versetzt und gestand, daß zwar der Mann recht dumm sei, die Frau aber bezaubernd und die Diners die reizendsten von der Welt.
    Rebekka kam durch ihren Witz, ihre Klugheit und ihre Schlagfertigkeit bei einer gewissen Klasse Londoner bald in Mode. Man sah an ihrer Tür ehrbare Kutschen, denen Menschen vornehmsten Ranges entstiegen. Man sah ihren Wagen im Park von berühmten Stutzern umringt. Ihre kleine Loge im dritten Rang der Oper war von ständig wechselnden Gesichtern bevölkert. Wir müssen allerdings gestehen, daß sich die Damen von ihr fernhielten und ihre Türen unserer kleinen Abenteuerin verschlossen blieben.
    Über die vornehme Welt der Damen und ihre Sitten kann der Verfasser unserer Geschichte natürlich nur vom Hörensagen berichten. Ein Mann kann diese Geheimnisse ebensowenig durchschauen oder verstehen, wie er weiß, worüber sich die Damen unterhalten, wenn sie sich nach dem Essen in die oberen Gemächer zurückziehen. Nur durch mühsame, ausdauernde Nachforschungen kann man zuweilen eine Andeutung über diese Geheimnisse erhalten. Durch ebensolche Emsigkeit weiß jeder, der auf dem Pflaster der Pall Mall wandelt und die Londoner Klubs besucht, entweder aus eigener Erfahrung oder von einem Bekannten, mit dem er Billard spielt oder speist, etwas über die vornehme Londoner Welt. Er merkt, daß es Männer gibt (wie zum Beispiel Rawdon Crawley, dessen Lage wir schon beschrieben haben), die, weil sie mit den berühmtesten Stutzern im Park verkehren, in den Augen der unwissenden Welt und der Lehrlinge dort eine gute Figur machen. Ebenso gibt es aber auch Damen, die man als Typ der Männer bezeichnen könnte, da sie von allen Herren begrüßt und von ihren Ehefrauen geschnitten oder mit Geringschätzung betrachtet werden. Zu dieser Art gehört Mrs. Firebrace, die Dame mit den schönen blonden Locken, die man täglich, umringt von den größten und bekanntesten Stutzern des Königreiches, im Hyde Park sehen kann. Eine andere von ihnen ist Mrs. Rockwood, deren Gesellschaften ausführlich in allen Zeitungen der vornehmen Welt beschrieben werden und bei der eine Menge von Gesandten und hohen Adligen zu speisen pflegen. Die Reihe ließe sich noch beliebig erweitern, wenn es etwas mit unserer Geschichte zu tun hätte. Während nun aber einfache Menschen, die die Welt nicht kennen, oder Leute vom Lande mit einem Hang zum Vornehmen diese Damen an öffentlichen Orten in ihrer

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