Jahrmarkt der Eitelkeit
aller Kraft zu – traf einmal Mr. Cuffs linkes Auge und ein anderes Mal seine schöne römische Nase.
Diesmal ging Cuff, zum großen Erstaunen der Umstehenden, zu Boden. »Gut getroffen, beim Zeus«, lobte der kleine Osborne mit Kennermiene und klopfte seinem Mann auf die Schulter. »Immer schön die Linke brauchen, Feige, mein Junge.«
Feiges Linke tat während des weiteren Kampfes ganze Arbeit. Jedesmal ging Cuff zu Boden. In der sechsten Runde schrien fast ebenso viele »auf ihn, Feige« wie »auf ihn, Cuff«. In der zwölften Runde war Cuff ganz angeschlagen, wie man so sagt, und hatte alle Geistesgegenwart verloren und weder Kraft zum Angriff noch zur Verteidigung. Feige dagegen war so ruhig wie ein Quäker. Sein bleiches Gesicht, seine glänzenden, aufgerissenen Augen und eine stark blutende Schramme an seiner Unterlippe verliehen dem jungen Burschen ein so wildes und gräßliches Aussehen, daß viele Zuschauer Furcht ergriff. Trotzdem bereitete sich sein unerschrockener Gegner zur dreizehnten Runde vor.
Hätte ich die Feder eines Napier 5 oder könnte so gut schreiben wie »Bells Leben« 6 , so würde ich diesen Kampf im einzelnen beschreiben. Es war der letzte Angriff der Garde (das heißt, er wäre es gewesen, hätte Waterloo 7 schon stattgefunden) – es war Neys 8 Kolonne, im Sturm auf den Hügel von La Haye Sainte, von zehntausend Bajonetten starrend und gekrönt mit zwanzig Adlern; es war das Kampfgeschrei der Briten, die den Hügel hinabstürzten und sich dem Feinde entgegenwarfen, um ihn mit den wilden Armen der Schlacht zu umschließen; mit anderen Worten: Als Cuff, zwar mutig, aber ziemlich schwankend und betäubt, herankam, bearbeitete der Feigenhändler, wie bisher, mit seiner Linken tüchtig seines Gegners Nase und schickte ihn endgültig zu Boden.
»Ich denke, er hat nun genug«, meinte Feige, als sein Gegner ebenso glatt auf den Rasen sackte, wie ich die Billardkugeln habe in ihr Loch fallen sehen; und tatsächlich konnte oder wollte Mr. Reginald Cuff, als ausgezählt wurde, nicht aufstehen. Und nun stimmten alle Knaben für Feige ein solches Freudengeschrei an, daß man hätte glauben können, er sei während des ganzen Kampfes ihr Liebling gewesen, und daß selbst Doktor Swishtail aus seinem Studierzimmer trat, um sich nach der Ursache des Lärmes zu erkundigen. Natürlich drohte er Feige mit einem gehörigen Quantum Prügel; aber Cuff, der gerade wieder zu sich gekommen war und seine Wunden wusch, stand auf und sagte: »Ich bin schuld, Sir, nicht Feige – eh, Dobbin. Ich habe einen kleinen Knaben verprügelt, und deshalb ist mir recht geschehen.« Mit dieser großmütigen Rede ersparte er nicht allein seinem Sieger eine Tracht Prügel, sondern gewann auch seinen Einfluß auf die Knaben zurück, den er durch seine Niederlage beinahe eingebüßt hatte.
Der junge Osborne berichtete folgendes über den Vorfall nach Hause:
Zuckerrohrstockhaus, Richmond, März 18..
Liebe Mama!
Ich hoffe, es geht Dir gut. Ich wäre Dir sehr dankbar, wenn Du mir einen Kuchen und fünf Shilling schicken würdest. Hier hat es einen Kampf zwischen Cuff und Dobbin gegeben. Cuff, weißt Du, war der Hahn der Schule. Dreizehn Runden haben sie gekämpft, und Dobbin hat ihn tüchtig verprügelt. Cuff ist deshalb jetzt nur noch zweiter Hahn. Der Kampf war wegen mir. Cuff hat mich verdroschen, weil ich eine Flasche Milch zerbrochen habe, und Feige war dagegen. Wir nennen ihn Feige, weil sein Vater Krämer ist – Feige und Rudge, Thames Street, in der Innenstadt. Weil er für mich gekämpft hat, glaube ich, wäre es gut, wenn Du Deinen Tee und Zucker bei seinem Vater kaufen würdest. Cuff geht jeden Sonnabend nach Hause, diesmal kann er aber nicht, weil er 2 blaue Augen hat. Er hat ein weißes Pony, das holt ihn ab, und einen Reitknecht in Livree auf einem Braunen. Ich wünschte, Papa würde mir auch ein Pony schenken, und ich bin
Dein gehorsamer Sohn
George Sedley Osborne.
PS: Grüß bitte die kleine Emmy von mir; ich schneide ihr gerade eine Kutsche aus Pappe aus.
Nach Dobbins Sieg stieg seine Würde ungeheuer in den Augen all seiner Schulkameraden, und der Name Feige – bisher ein Schimpfwort – wurde zu einem ebenso ehrenvollen und populären Beinamen wie alle anderen in der Schule. »Schließlich kann er doch nichts dafür, daß sein Vater ein Krämer ist«, sagte George Osborne, der sich trotz seiner Kleinheit unter den Swishtailschen Jungen großer Beliebtheit erfreute; und seine Ansicht fand überall
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