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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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machte sich mit den Sitten und dem Geschäftsgang des Hauses vertraut. Daheim widmete er sich ganz und gar dem Studium der Blaubücher 3 – sehr zum Schrecken und zur Bewunderung von Lady Jane, die befürchtete, er werde sich durch spätes Schlafengehen und seinen ungeheuren Fleiß noch umbringen. Er machte sich mit den Ministern und Häuptern seiner Partei bekannt und war fest entschlossen, ehe ein paar Jahre ins Land gegangen waren, einer von ihnen zu sein.
    Lady Janes Freundlichkeit und Milde hatten in Rebekka solche Verachtung gegenüber der Lady erweckt, daß es der kleinen Frau direkt schwer wurde, sie zu verbergen. Die gütige und einfache Art von Lady Jane ärgerte unsere Freundin Becky, und zeitweise war es ihr unmöglich, die andere ihre Verachtung nicht wenigstens ahnen zu lassen. Auch Lady Jane war Rebekkas Gegenwart unbehaglich. Ihr Gatte sprach beständig nur mit Becky, sie schienen Zeichen des Einverständnisses auszutauschen, und Pitt besprach mit ihr Themen, die er gegenüber seiner Frau nie auch nur erwähnte. Sie verstand zwar nichts davon, aber es war kränkend, still sein zu müssen, noch kränkender, zu wissen, daß man nichts sagen konnte, und zuzuhören, wie die kecke kleine Mrs. Rawdon von einem Gegenstand zum anderen flatterte, stets Worte fand und einen Scherz zur Hand hatte, und dabei im eigenen Haus allein am Kamin zu sitzen und mit ansehen zu müssen, wie sich alle Männer um die Rivalin drängten.
    Wenn Lady Jane in Queen's Crawley den Kindern, die sich um ihre Knie scharten, Märchen erzählte (auch der kleine Rawdon war dabei, der sie sehr liebte) und Becky mit verächtlichem Lächeln und Hohn in den grünen Augen ins Zimmer trat, verstummte die arme Lady Jane sogleich. Ihre einfachen kleinen Phantasiegebilde entwichen zitternd wie die Fee im Märchenbuch vor einem mächtigen bösen Engel. Sie konnte nicht weitererzählen, obwohl Rebekka mit fast unmerklichem Spott in der Stimme bat, doch in der bezaubernden Geschichte fortzufahren. Mrs. Rawdon widerten milde Gedanken und einfache Freuden an, sie stimmten nicht mit ihrem Wesen überein. Sie haßte die Menschen, die Gefallen daran fanden. Kinder und Kinderfreunde wies sie verächtlich von sich. »Ich finde keinen Geschmack an Butterbrot«, pflegte sie zu sagen, wenn sie Lady Jane und ihre Art vor Lord Steyne karikierte.
    »Ebensowenig wie eine gewisse Person am Weihwasser«, entgegnete der Lord und verbeugte sich grinsend. Dann lachte er mißtönend auf.
    Die beiden Damen sahen also einander nicht oft, abgesehen von den Gelegenheiten, wo die Frau des jüngeren Bruders von der anderen etwas wollte und sie deshalb besuchte. Sie nannten sich weiterhin fleißig »meine Liebe« und »meine Teure«, gingen sich aber gewöhnlich aus dem Wege, während Sir Pitt, trotz seiner vielfältigen Beschäftigungen, doch Zeit fand, seine Schwägerin zu sehen.
    Das erste Diner des Unterhauspräsidenten nahm Sir Pitt zum Anlaß, um sich seiner Schwägerin in Uniform vorzustellen – in dem alten Diplomatenanzug, den er als Attaché bei der Gesandtschaft in Pumpernickel getragen hatte.
    Becky machte ihm viele Komplimente über diese Kleidung und bewunderte ihn fast ebenso wie seine Frau und die Kinder, denen er sich vor dem Weggang gezeigt hatte. Sie erklärte, nur reiner Adel könne das Hofkleid mit Vorteil tragen und nur denen aus altem Geschlecht stehe die culotte court 4 . Pitt blickte selbstgefällig auf seine Beine, die in Wirklichkeit nicht mehr Symmetrie oder Rundungen besaßen als der dünne Hofdegen an seiner Seite; er blickte auf seine Beine und glaubte im Innern, er sei unwiderstehlich.
    Als er fort war, zeichnete Mrs. Becky eine Karikatur von ihm und zeigte sie Lord Steyne, als dieser am Abend kam. Der Lord, begeistert von der Ähnlichkeit, nahm die Skizze mit. Er hatte Sir Pitt Crawley die Ehre erwiesen, ihn bei Mrs. Rawdon zu treffen, und war außerordentlich gnädig gegenüber dem neuen Baronet und Parlamentsmitglied gewesen. Pitt war betroffen, wie unterwürfig dieser hohe Adlige seine Schwägerin behandelte, wie leicht und geistvoll sie die Unterhaltung zu führen wußte und wie entzückt die anderen Männer der Gesellschaft ihrem Geplauder lauschten. Lord Steyne zweifelte nicht daran, daß der Baronet erst am Anfang seiner Laufbahn im öffentlichen Leben stehe, und war ungeduldig, ihn als Redner zu hören. Da sie Nachbarn waren (die Great Gaunt Street mündet doch auf den Gaunt Square, und Gaunt-Haus bildet bekanntlich eine Seite

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