Jahrmarkt der Eitelkeit
König zu kämpfen und ruhmvoll zu sterben. Der Held mußte vom Himmel auf dieses Musterbild von einem Knaben herablächeln, den er ihr als Trost und Stütze zurückgelassen hatte.
Wir haben gesehen, wie einer von Georges Großvätern (Mr. Osborne) in seinem Lehnstuhl am Russell Square täglich heftiger und düsterer wurde und seine Tochter, trotz ihrer schönen Kutsche und der prächtigen Pferde und ihres Namens auf der Hälfte aller Wohltätigkeitslisten der Stadt, eine einsame, unglückliche, gequälte alte Jungfer war. Sie dachte immer wieder an den schönen kleinen Knaben, den Sohn ihres Bruders, den sie gesehen hatte. Sie sehnte sich danach, in ihrem schönen Wagen zu dem Haus, in dem er wohnte, fahren zu dürfen, und sah sich bei ihren einsamen Spazierfahrten im Park ständig um, in der Hoffnung, ihn sehen zu können. Ihre Schwester, die Bankiersfrau, ließ sich zuweilen herab, ihrem alten Heim und der Gefährtin am Russell Square einen Besuch abzustatten. Sie brachte zwei kränkliche Kinder mit, die von einer geputzten Amme begleitet wurden und schnatterte mit leiser, vornehmer Stimme zu ihrer Schwester über ihre vornehmen Freunde und kicherte viel. Sie erzählte, daß ihr kleiner Frederick das Ebenbild von Lord Claude Lollypop sei und daß ihre süße Maria von der Baronesse bemerkt worden sei, als sie in Roehampton im Eselwagen gefahren seien. Sie drängte die Schwester, sie solle den Papa dahin bringen, daß er etwas für die lieben Herzchen tue. Frederick, so hatte sie beschlossen, sollte in die Garde eintreten, und wenn sie ihm ein Gut beschafften (Mr. Bullock ruinierte sich schon und würde noch Hungers sterben, um Land kaufen zu können), wie sollten sie dann das liebe Mädchen versorgen?
»Ich erwarte dies von dir, liebe Schwester«, pflegte Mrs. Bullock zu sagen, »denn natürlich geht mein Anteil am Vermögen unseres Papas auf das Haupt des Hauses über, wie du weißt. Die liebe Rhoda McMull will die ganzen Besitzungen von Castletoddy frei machen, sobald der arme liebe Lord Castletoddy stirbt, der schon ganz epileptisch ist, und der kleine Macduff McMull wird dann Viscount Castledoddy. Die beiden Mr. Bludyer aus der Mincing Lane haben ihr Vermögen dem kleinen Sohn von Fanny Bludyer verschrieben. Mein lieber Frederick muß unbedingt ein Gut haben, und – und sei so gut und bitte Papa, daß er wieder sein Konto bei uns in der Lombard Street eröffnet, nicht wahr, Liebste. Es sieht nicht gut aus, wenn er zu Stumpy und Rowdy geht.« Nach derartigen Reden, einem Gemisch aus Klatsch über die vornehme Welt und Geldgier, und nach einem Kuß, der der Berührung einer Auster glich, pflegte dann Mrs. Frederick Bullock ihre gestärkten Treibhauspflänzchen einzusammeln und zu ihrem Wagen zurückzutrippeln.
Jeder Besuch, den diese Modedame ihrer Familie abstattete, war unheilvoller für sie. Ihr Vater zahlte mehr und mehr Geld bei Stumpy und Rowdy ein; ihr gönnerhaftes Wesen wurde von Mal zu Mal unerträglicher. Die arme Witwe, die in dem Häuschen in Brompton ihren Schatz bewachte, hatte keine Ahnung, wie eifrig gewisse Leute danach begehrten.
An dem Abend, als Jane Osborne ihrem Vater erzählt hatte, sie habe seinen Enkel gesehen, hatte der alte Mann ihr nichts geantwortet, aber er war auch nicht zornig geworden. Als er sich in sein Zimmer zurückzog, hatte er ihr nicht unfreundlich eine gute Nacht gewünscht. Er mußte über ihre Worte nachgedacht und bei der Familie Dobbin einige Erkundigungen über ihren Besuch eingezogen haben, denn etwa vierzehn Tage danach fragte er sie, wo ihre kleine französische Uhr mit der Kette sei, die sie immer getragen habe.
»Ich hatte sie von meinem Geld gekauft«, sagte sie sehr erschrocken.
»Geh und bestelle dir so eine oder eine bessere, wenn du sie bekommen kannst«, sagte der alte Herr und fiel wieder in sein Schweigen zurück.
In der letzten Zeit hatten die Misses Dobbin Amelia häufig gebeten, dem kleinen George zu erlauben, daß er sie besuchen dürfe. Seine Tante habe Gefallen an ihm gefunden, vielleicht werde sich auch sein Großvater bewegen lassen, sich mit ihm auszusöhnen, meinten sie. Amelia konnte so vorteilhafte Aussichten für den Knaben wahrhaftig nicht zurückweisen, nein, das konnte sie nicht; aber sie erfüllte die Bitte nur sehr schweren und mißtrauischen Herzens. Während der Abwesenheit des Kindes war sie unruhig und empfing es bei seiner Rückkehr stets, als ob es irgendeiner Gefahr entronnen wäre. Der Knabe brachte Geld und Spielsachen
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