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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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selbst verdanke ihm alles.
    Clapp, mit besten Zeugnissen und einer sehr guten Handschrift, hatte bald nach dem Unglück seines Herrn wieder Beschäftigung gefunden. »So ein kleiner Fisch wie ich kann in jedem Eimer schwimmen«, pflegte er zu sagen, und ein Mitglied der Firma, aus der der alte Sedley ausgeschieden war, nahm Mr. Clapp gern in seine Dienste und entschädigte ihn mit einem anständigen Gehalt. Schließlich waren alle seine reichen Freunde von Sedley abgefallen, und nur der arme ehemalige Untergebene blieb ihm treu.
    Die Witwe mußte sehr sorgfältig und sparsam sein, um von dem kleinen Rest ihres Einkommens, den sie für sich behielt, ihren geliebten Jungen so zu kleiden, wie es George Osbornes Kind zukam, und die Kosten der billigen Schule zu bestreiten, in die den Knaben zu schicken sie sich nach langem Widerstreben und unter mancherlei geheimen Schmerzen und Befürchtungen hatte bewegen lassen. Nächtelang war sie Lektionen durchgegangen und hatte unverständliche Grammatiken und verworrene Geographiebücher studiert, um George darin unterrichten zu können. Sie hatte sich sogar die lateinische Formenlehre vorgenommen, in der einfältigen Hoffnung, selbst so weit zu kommen, daß sie ihn in dieser Sprache unterrichten könnte. Sich von ihm den ganzen Tag zu trennen und ihn der Gnade des Rohrstockes der Lehrer und den rauhen Händen seiner Schulkameraden auszuliefern war für die schwache, empfindsame ängstliche Mutter fast ebenso schmerzlich, als ob sie ihn zum zweiten Male entwöhnen müßte. Er dagegen war glücklich, in die Schule gehen zu dürfen; er sehnte sich nach Veränderung. Diese kindliche Freude verletzte seine Mutter, der es so schwerfiel, sich von ihm zu trennen. Sie hätte ihn lieber etwas betrübter gesehen, bereute aber doch wieder tief, daß sie es wagte, so selbstsüchtig zu sein und sich ihren eigenen Sohn unglücklich zu wünschen.
    Georgy machte große Fortschritte in der Schule, die ein Freund des treuen Anbeters seiner Mutter, des Ehrwürden Mr. Binny, leitete. Er brachte unzählige Preise und Zeugnisse seines Talents mit nach Hause; jeden Abend erzählte er seiner Mutter viele Geschichten von seinen Schulkameraden: was für ein feiner Kerl Lyons war und was für eine Petze Sniffin und daß Steels Vater doch tatsächlich das Fleisch für die Schule lieferte, während Goldings Mutter ihren Sohn jeden Sonnabend mit einer Kutsche abholte, und daß Neat Riemen an den Hosen hatte – durfte er auch Riemen tragen? – und daß der größere Bull so stark war (obwohl er erst beim Eutropius 1 sei), daß es hieß, er könne sogar den Hilfslehrer, Mr. Ward, besiegen. So kannte Amelia alle Jungen der Schule bald ebenso gut wie Georgy selbst. Abends half sie ihm bei den Übungen und sie zerbrach sich ihr Köpfchen über den Aufgaben, als ob sie selbst am nächsten Morgen vor den Lehrer treten müßte. Einst, nach einer Prügelei mit Master Smith, kam Georgy mit einem blauen Auge nach Hause und prahlte gegenüber seiner Mutter und seinem entzückten alten Großvater mit seiner Tapferkeit im Kampf. In Wirklichkeit hatte er sich nicht besonders heldenmütig aufgeführt und ganz entschieden den kürzeren gezogen. Amelia aber hat diesem Smith bis heute noch nicht vergeben, obwohl er jetzt ein friedlicher Apotheker in der Nähe vom Leicester Square ist.
    Unter diesen stillen Bemühungen und harmlosen Sorgen verging das Leben der sanften Witwe. Einige Silberfäden in ihrem Haar zeigten den Flug der Zeit an, und auf ihrer schönen Stirn grub sich eine winzige Linie ein. Sie pflegte über diese Zeichen der Zeit zu lächeln. »Was bedeutet das schon für eine alte Frau wie mich?« meinte sie. Ihre einzige Hoffnung war, zu erleben, daß ihr Sohn groß, berühmt und erhaben würde, wie er es verdiente. Sie hob seine Schreibhefte, Zeichnungen und Aufsätze auf und zeigte sie in ihrem kleinen Kreise herum, als ob sie Wunderwerke eines Genies wären. Sie vertraute einige dieser Arbeiten Miss Dobbin an, damit diese sie Georges Tante, Miss Osborne, zeigen würde, und die wiederum könnte sie dann Mr. Osborne selbst zeigen, damit der alte Mann seine Grausamkeit und Hartherzigkeit dem Verstorbenen gegenüber bereuen sollte. Sie hatte alle Fehler und Schwächen ihres Mannes mit diesem begraben und erinnerte sich nur des Geliebten, der sie unter großen Opfern geheiratet hatte, des tapferen und schönen Ehemannes, in dessen Armen sie an dem Morgen gehangen hatte, an dem er ausgezogen war, um für seinen

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