Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
Vom Netzwerk:
Curzon Street zurückzuführen. »Sie und Baronet, bloßer Landedelmann bleiben!« hatte sie ihm erklärt, als er in London bei ihr zu Gast war. »Nein, Sir Pitt Crawley, ich kenne Sie besser; ich kenne Ihre Talente und Ihren Ehrgeiz; Sie glauben, daß Sie sie verbergen können, mir gegenüber gelingt Ihnen das aber nicht. Ich habe Lord Steyne Ihre Broschüre über das Malz gezeigt, er kannte sie schon und sagte, sie sei nach Ansicht des ganzen Kabinetts das Beste, was auf diesem Gebiet erschienen sei. Das Ministerium ist auf Sie aufmerksam geworden, und ich kenne Ihr Ziel. Sie wollen sich im Parlament auszeichnen; jeder sagt, Sie seien der fähigste Redner Englands (man erinnert sich nämlich noch Ihrer Reden in Oxford). Sie wollen Parlamentsabgeordneter für die Grafschaft werden, und dann können Sie mit Ihrer eigenen Stimme und Ihrem Wahlflecken hinter sich alles erreichen. Und Sie wollen Baron Crawley von Queen's Crawley werden, und das werden Sie auch, bevor Sie sterben. Ich weiß alles, ich habe es in Ihrem Herzen gelesen, Sir Pitt. Wenn ich einen Mann hätte, der neben Ihrem Namen auch noch Ihren Verstand besäße, dann, denke ich zuweilen, würde ich seiner nicht unwürdig sein – aber – aber jetzt bin ich Ihre Verwandte«, fügte sie lachend hinzu, »und wenn ich auch nur ein kleiner Habenichts bin, so besitze ich doch einigen Einfluß, und wer weiß – vielleicht kann eines Tages die Maus dem Löwen nützlich sein.«
    Pitt Crawley war über ihre Worte erstaunt und völlig hingerissen.
    »Wie mich diese Frau versteht«, sagte er, »ich habe Jane niemals dazu bewegen können, auch nur drei Seiten in der Malzbroschüre zu lesen. Sie hat keine Ahnung davon, daß ich außerordentliche Talente und geheimen Ehrgeiz besitze. So erinnern sie sich also meiner Reden in Oxford, diese Schufte? Jetzt, wo ich meinen Wahlflecken vertrete und den Parlamentssitz für die ganze Grafschaft erhalten kann, fangen sie an, sich meiner zu entsinnen. Lord Steyne hat mich voriges Jahr beim Empfang ganz einfach geschnitten. Jetzt kommen sie aber endlich langsam darauf, daß Pitt Crawley doch jemand ist. Der Mann, den diese Leute vernachlässigten, ist niemals anders gewesen. Es fehlte nur die günstige Gelegenheit, aber ich will ihnen zeigen, daß ich ebenso gut reden und handeln wie schreiben kann. Achilles offenbarte erst sein wahres Wesen, als man ihm das Schwert gab 1 . Ich halte es jetzt, und die Welt soll noch von Pitt Crawley hören.«
    Deshalb war also der schlaue Diplomat so gastfreundlich geworden, so freigebig gegen Oratorien und Spitäler, so freundlich gegen Dekane und Geistliche, so großzügig im Geben und Besuchen von Diners, so ungemein gnädig gegen die Landleute an Markttagen und so interessiert an Grafschaftsangelegenheiten, und deshalb war das Weihnachtsfest im Schloß das fröhlichste, das man seit langem dort erlebt hatte.
    Am ersten Feiertag fand ein großes Familientreffen statt. Alle Crawleys aus dem Pfarrhaus kamen zum Essen. Rebekka war gegenüber Mrs. Bute so freundlich und offen, als ob diese nie ihre Feindin gewesen wäre. Sie zeigte liebevolles Interesse für die Mädchen, war überrascht über die Fortschritte in der Musik, die sie inzwischen gemacht hatten, und bestand darauf, daß eins der Duette aus den großen Liederbüchern, die James brummend aus dem Pfarrhaus hatte mitschleppen müssen, wiederholt wurde. Mrs. Bute mußte also wohl oder übel gegenüber der kleinen Abenteurerin Anstand bewahren, was sie nicht davon abhielt, später mit ihren Töchtern über die unangebrachte Achtung zu sprechen, die Sir Pitt seiner Schwägerin erwies. James jedoch, der bei Tisch neben ihr gesessen hatte, erklärte, sie sei ein Prachtweib. Aber die ganze Pfarrersfamilie war sich einig, daß der kleine Rawdon ein netter Junge sei. Sie respektierten in dem Knaben den möglichen Baronet, denn zwischen ihm und dem Titel stand nur der kleine, kränkliche, blasse Pitt Binkie.
    Die Kinder waren sehr gute Freunde. Pitt Binkie war ein zu kleines Hündchen, als daß ein so großer Hund wie Rawdon mit ihm gespielt hätte, und Matilda, die ja nur ein Mädchen war, gab natürlich keinen passenden Spielgefährten für einen jungen Mann von fast acht Jahren ab, der bald einen Anzug tragen würde. Er übernahm sofort das Kommando über die winzige Abteilung, und der kleine Knabe und das kleine Mädchen folgten ihm ehrerbietig, wenn er sich herabließ, mit ihnen zu spielen. Das Leben auf dem Lande bereitete ihm Glück und

Weitere Kostenlose Bücher