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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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davon), so hoffte der Lord, daß Lady Steyne, sobald sie in London ankäme, die Ehre haben werde, Lady Crawleys Bekanntschaft zu machen. Er gab nach ein paar Tagen sogar eine Karte bei seinem Nachbarn ab, diesem Nachbarn, von dem weder er noch seine Vorgänger je Notiz genommen hatten, obgleich sie schon ein Jahrhundert lang nebeneinander gelebt hatten.
    Inmitten dieser Intrigen und feinen Gesellschaften und klugen und glänzenden Persönlichkeiten fühlte sich Rawdon täglich einsamer. Er durfte öfter in den Klub gehen, mit befreundeten Junggesellen auswärts speisen und kommen und gehen, wann er wollte, ohne daß jemals eine Frage gestellt wurde. Oft ging er mit dem kleinen Rawdon zur Gaunt Street und besuchte die Lady und die Kinder, während Sir Pitt unterwegs zum Parlament oder auf dem Rückweg bei Rebekka vorsprach.
    Der ehemalige Oberst saß oft stundenlang schweigend im Hause seines Bruders und dachte und tat sowenig wie möglich. Er war froh, wenn man ihm etwas zu erledigen gab, zum Beispiel Erkundigungen über ein Pferd oder einen Dienstboten einzuholen oder beim Essen den Kindern den Hammelbraten vorzuschneiden. Er war zur Trägheit und Unterwürfigkeit verschüchtert worden. Delila hatte ihn gefangen und ihm das Haar abgeschnitten. 5 Das kühne und sorglose junge Blut von vor zehn Jahren war unterjocht und in einen trägen, unterwürfigen, beleibten Herrn mittleren Alters verwandelt worden.
    Die arme Lady Jane wußte, daß Rebekka ihr den Mann weggefangen hatte, obwohl sie und Mrs. Rawdon immer, wenn sie sich trafen, einander mit »meine Liebe« und »meine Teure« anredeten.

Fußnoten

    1 Weil Achilles prophezeit worden war, er werde vor Troja fallen, wurde er, in Frauengewänder gekleidet, am Hofe des Lycomedes verborgen gehalten. Da Troja ohne die Hilfe von Achilles nicht genommen werden konnte, begab sich der als Händler verkleidete Odysseus zu Lycomedes und bot Waffen und Schmuck feil. Achilles verriet sich, als er Waffen wählte.

    2 (franz.) Gefolge.

    3 nach der Farbe ihres Einbandes genannte amtliche englische Veröffentlichungen zur Außenpolitik und Diplomatie.

    4 (franz.) Kniehose. – Kleidungsstück des französischen Adels.

    5 Delila (s. Anm.
Simson ... Delila
zu S. 224 des 1. Bandes), von den Fürsten der Philister aufgefordert, dem unüberwindlichen Simson das Geheimnis seiner Kraft zu entlocken, erhielt von ihm zur Antwort, es sei nie ein Schermesser auf sein Haupt gekommen. Während er schlief, schnitt sie ihm die Haare ab, und seine Kraft war gebrochen. (Richter 16, 4-19)

46. Kapitel
Kämpfe und Prüfungen
    Unsere Freunde in Brompton verbrachten inzwischen Weihnachten auf ihre Weise und keineswegs zu fröhlich.
    Von den hundert Pfund, auf die sich das Einkommen der Witwe Osborne ungefähr belief, gab sie fast drei Viertel ihren Eltern, damit sie die Ausgaben für sich und ihren kleinen Knaben bestreiten konnten. Mit weiteren hundertzwanzig Pfund, die Joseph schickte, konnte die vierköpfige Familie leidlich bequem auskommen und den Kopf über Wasser halten. Sie wurden versorgt von einem irischen Dienstmädchen, das auch für Clapp arbeitete. Sie waren trotz aller Stürme und Enttäuschungen ihres früheren Lebens sogar noch immer in der Lage, einem Freund eine Tasse Tee anzubieten. Sedley bewahrte immer noch eine gewisse Überlegenheit in den Augen der Familie von Mr. Clapp, seinem früheren Angestellten. Clapp erinnerte sich noch der Zeit, da er an der reichbesetzten Tafel des Kaufmanns am Russell Square auf der Kante des Stuhls saß und ein Glas auf die Gesundheit von Mrs. Sedley, Miss Emmy und Mr. Joseph in Indien leerte. Die Zeit erhöhte noch den Glanz dieser Erinnerungen im Herzen des ehrlichen alten Angestellten. Jedesmal, wenn er aus seinem Zimmer neben der Küche in das Wohnzimmer heraufkam, um mit Mr. Sedley Tee oder Grog zu trinken, pflegte er zu sagen: »So etwas waren Sie früher nicht gewohnt, Sir«, und er trank auf die Gesundheit der Damen ebenso ernst und ehrfurchtsvoll wie in den Tagen ihres größten Glückes. Er hielt Miss Amelias Klavierspiel für die himmlischste Musik, die je zu hören war, und sie selbst für die feinste Dame. Er setzte sich sogar im Klub nie vor Sedley hin, und kein Mitglied der Gesellschaft durfte den Herrn schmähen. Er habe gesehen, wie die bedeutendsten Männer Londons Mr. Sedley die Hand geschüttelt hätten, sagte er. Er habe ihn in Zeiten gekannt, wo man Rothschild täglich auf der Börse mit ihm hätte erblicken können, und er

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