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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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kommt ihr, die sie erröten macht und von der sie sich abwendet. Ihre Eltern könnten die Rente behalten, wenn der Vikar sie heiraten und ihr und dem Knaben ein Heim geben würde. Aber Georges Bild und das teure Andenken an ihn machen ihr Vorwürfe. Scham und Liebe sagen nein zu diesem Opfer. Sie weicht zurück wie vor etwas Unheiligem, und solche Gedanken finden in dem reinen, sanften Herzen keine Heimstatt.
    Der Kampf in Amelias Innern, den wir hier mit so wenigen Worten geschildert haben, dauerte mehrere Wochen. Während dieser Zeit hatte sie keine Vertraute und konnte auch keine haben, da sie sich selbst die Möglichkeit des Nachgebens nicht eingestehen wollte, obgleich sie täglich weiter vor ihrem Feinde zurückwich. Eine Wahrheit nach der anderen zog schweigend gegen sie auf und hielt ihre Stellung. Armut und Elend aller, Bedürfnisse und Erniedrigung der Eltern, Ungerechtigkeit gegenüber dem Knaben, eins nach dem anderen fielen die Außenwerke der kleinen Zitadelle, in der die arme Seele leidenschaftlich ihre Liebe und ihren einzigen Schatz hütete.
    Zu Anfang des Kampfes hatte sie einen Brief voll zärtlicher Bitten an ihren Bruder nach Kalkutta geschrieben und ihn angefleht, den Eltern nicht die letzte Stütze zu entziehen. In schlichten Worten schilderte sie ihre einsame, unglückliche Lage. Sie wußte ja nicht, wie sich die Sache wirklich verhielt. Joseph zahlte die jährliche Unterstützung nach wie vor regelmäßig, aber ein Geldverleiher in der City erhielt sie. An ihn hatte der alte Sedley sie für eine Summe Geldes verkauft, damit er seine unsinnigen Pläne weiterverfolgen konnte. Emmy rechnete sich eifrig die Zeit aus, die vergehen würde, bis der Brief ankäme und Antwort erfolgen könnte. Sie hatte sich den Tag, an dem sie ihn abgeschickt hatte, in ihrem Notizbuch vermerkt. Dem Vormund ihres Sohnes, dem guten Major in Madras, hatte sie von ihren Kümmernissen und Verlegenheiten nichts mitgeteilt. Seitdem sie ihm zu seiner bevorstehenden Heirat gratuliert hatte, hatte sie ihm nicht wieder geschrieben, und niedergeschlagen dachte sie daran, daß auch dieser Freund, der einzige, der sie je geschätzt hatte, von ihr abgefallen war.
    Eines Tages, als die Sachen wieder einmal sehr schlecht standen – die Gläubiger drängten, die Mutter wurde hysterisch vor Kummer, der Vater war düsterer als gewöhnlich, die Familienmitglieder mieden einander, und jeder war insgeheim von seinem eigenen Unglück bedrückt und meinte, daß ihm Unrecht geschehen sei –, trafen sich Vater und Tochter zufällig einmal allein, und Amelia dachte, sie könne ihren Vater trösten, wenn sie ihm erzählte, was sie getan hatte. Sie habe an Joseph geschrieben – in drei bis vier Monaten müßte die Antwort dasein. Er sei doch stets großmütig gewesen, wenn auch ein wenig unbekümmert, er könne nicht abschlagen, wenn er wüßte, in welchen bedrängten Umständen seine Eltern lebten.
    Da enthüllte ihr der arme alte Herr die volle Wahrheit: daß sein Sohn die Rente immer noch zahle, daß aber seine eigne Unklugheit sie verschleudert habe. Er habe nicht gewagt, es ihr früher zu sagen. Als er mit zitternder, leiser Stimme dieses Bekenntnis ablegte, glaubte er in Amelias verstörtem, entsetztem Blick Vorwürfe darüber zu lesen, daß er es solange geheimgehalten hatte.
    »Ach«, sagte er und wandte sich mit zitternden Lippen ab, »jetzt verachtest du deinen alten Vater.«
    »O Papa, das ist es nicht«, rief Amelia, fiel ihm um den Hals und küßte ihn viele Male, »du bist stets gut und freundlich gewesen. Du wolltest ja nur das Beste. Es ist nicht wegen des Geldes – es ist ... O mein Gott, mein Gott! Erbarme dich meiner und gib mir Kraft, diese Prüfung zu ertragen!« Sie küßte ihn nochmals heftig und eilte fort.
    Der Vater wußte nicht, was diese Erklärung und der Schmerzensausbruch, mit dem die arme Frau ihn verlassen hatte, bedeuten sollte. Nun war sie besiegt. Das Urteil war gesprochen. Das Kind mußte von ihr fort – zu anderen – und sie vergessen. Ihr größter Schatz, ihre Freude, Hoffnung, Liebe, Anbetung, fast ihr Gott – sie mußte ihn aufgeben, und dann – dann würde sie zu George gehen, und sie beide würden über dem Kinde wachen und darauf warten, daß es zu ihnen in den Himmel käme.
    Ohne zu wissen, was sie tat, setzte sie den Hut auf und schritt den Weg entlang, auf dem George gewöhnlich aus der Schule kam und wo sie dem Knaben meist entgegenging. Es war im Mai, an einem halben Feiertag. Die Bäume

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