Jahrmarkt der Eitelkeit
schon daraus, wenn es nur eine Veränderung gab! Er konnte es kaum erwarten. Mit tausend eifrigen Plänen, was er alles tun würde, wenn er erst bei seinem Großvater wohnte, hatte er der armen Witwe gezeigt, wie wenig ihn die Trennung bedrückte.
Er wolle oft mit dem Pony kommen, um seine Mama zu besuchen, sagte er; er würde sie mit dem Wagen abholen, und dann könnten sie im Park spazierenfahren, und sie solle alles haben, was sie brauche. Die arme Mutter mußte sich mit diesen selbstsüchtigen Zeichen der Zuneigung zufriedengeben und versuchte sich einzureden, daß ihr Sohn sie aufrichtig liebe. Er mußte sie doch lieben. Alle Kinder waren so: ein wenig begierig auf Neues und – nein, nicht selbstsüchtig, nur eigenwillig. Ihr Kind sollte seinen Spaß und seinen Ehrgeiz in der Welt haben. Sie selbst mit ihrer selbstsüchtigen, törichten Liebe hatte ihm bisher sein Recht auf Freude verwehrt.
Ich kenne kaum etwas Rührenderes als die ängstliche Erniedrigung und Demütigung einer Frau, wenn sie gesteht, daß sie und nicht der Mann die Schuld trägt, wenn sie alle Fehler auf sich nimmt, wenn sie gewissermaßen Bestrafung fordert für ein Unrecht, das sie nicht begangen hat, und wenn sie darauf besteht, den wahren Schuldigen zu schützen! Frauen lieben die, die ihnen Unrecht zufügen, am meisten. Sie sind von Natur aus furchtsam, aber tyrannisch und mißhandeln die, die sich vor ihnen demütigen.
Die arme Amelia hatte sich also in stillem Kummer für das Scheiden ihres Sohnes gewappnet und manche lange einsame Stunde damit zugebracht. George stand neben seiner Mutter und beobachtete ihre Vorbereitungen ohne die mindeste Anteilnahme. Tränen waren in seine Schachteln gefallen. In seinen Lieblingsbüchern hatte sie Stellen angestrichen. Alte Spielsachen, Andenken und Schätze hatte sie für ihn zusammengelegt und außerordentlich nett und sorgfältig zusammengepackt, aber von alledem nahm der Knabe keine Notiz. Das Kind geht lächelnd fort, während das Herz der Mutter bricht. Beim Himmel, wie bemitleidenswert ist auf dem Jahrmarkt der Eitelkeit die sinnlose Liebe der Frauen zu den Kindern.
Einige Tage sind vergangen, und das große Ereignis in Amelias Leben ist vorüber. Kein Engel hat eingegriffen. Das Kind ist dem Schicksal geopfert worden, und die Witwe ist ganz allein.
Gewiß, der Knabe besucht sie oft. In Begleitung des Kutschers reitet er auf einem Pony, zum Entzücken seines alten Großvaters Sedley, der stolz an seiner Seite die Gasse hinabgeht. Sie sieht ihn, aber er ist nicht mehr ihr kleiner Junge. Ja, er reitet auch in die kleine Schule, um die Knaben dort zu besuchen und vor ihnen mit seinem neuen Reichtum und Glanz zu prahlen. Innerhalb von zwei Tagen hat er eine Herrschermiene und ein gönnerhaftes Wesen angenommen. Er ist zum Befehlen geboren, denkt seine Mutter, wie sein Vater.
Das Wetter ist jetzt sehr schön. An den Abenden, wenn er nicht kommt, unternimmt sie lange Spaziergänge nach London – ja, bis zum Russell Square sogar. Dort ruht sie sich auf der Steineinfassung am Gartenzaun gegenüber von Mr. Osbornes Haus aus. Es ist angenehm und kühl hier. Sie kann die erleuchteten Salonfenster sehen und gegen neun Uhr das Zimmer im oberen Stock, wo Georgy schläft. Das weiß sie – er hat es ihr erzählt. Sie betet, wenn das Licht verlöscht, betet mit demütigem, ergebenem Herzen und geht gebeugt und stumm wieder nach Hause. Sie ist sehr müde, wenn sie heimkommt. Vielleicht schläft sie nach diesem langen, anstrengenden Gang um so besser, und vielleicht träumt sie von Georgy.
Eines Sonntags spazierte sie am Russell Square in einiger Entfernung von Mr. Osbornes Hause (sie konnte es ja auch aus der Ferne beobachten). Gerade begannen die Sonntagsglocken zu läuten, und George und seine Tante kamen heraus, um in die Kirche zu gehen. Da bat ein kleiner Straßenkehrerjunge um ein Almosen, und der Bediente, der die Gebetbücher trug, versuchte ihn wegzutreiben, aber Georgy blieb stehen und gab ihm Geld. Gottes Segen über den Knaben! Emmy lief rund um den Platz, und als sie den Straßenfeger erreicht hatte, gab sie ihm auch ihr Scherflein. Alle Sonntagsglocken läuteten, und sie folgte ihnen, bis sie zur Findelhauskirche kam. Sie ging hinein und setzte sich so, daß sie den Kopf des Knaben unter der Gedenktafel seines Vaters erblicken konnte. Viele hundert frische Kinderstimmen erhoben sich und sangen dem allgütigen Vater Dankeshymnen, und die Seele des kleinen George zitterte vor Entzücken
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