Jahrmarkt der Eitelkeit
Kümmere du dich um das Silberzimmer, Blowser, und du, Mark, um die Kiste, worin der alte Spitzbube seinen Mammon aufbewahrt; und ich«, setzte er mit leiserer, aber unheimlicherer Stimme hinzu, »ich will nach Amelia sehen!«
Hier folgte Totenstille. »Ha«, sagte Vizard, »hat da nicht eben der Hahn einer Pistole geknackt?«
Oder angenommen, wir hätten den vornehmen Rosenwasserstil angewendet.
Der Marquis von Osborne hat soeben seinen petit tigre 2 mit einem billet-doux zu Lady Amelia geschickt.
Das liebe Geschöpf hat es aus den Händen ihrer femme de chambre 3 , Mademoiselle Anastasie, empfangen.
Teurer Marquis! Was für eine liebenswürdige Höflichkeit! Das Briefchen Seiner Lordschaft enthält die ersehnte Einladung ins Devonshire-Haus!
»Wer ist das erstaunlich schöne Mädchen dort?« fragte der sémillante 4 Prinz G-rge von Cambridge in einem Palast in Piccadilly noch am gleichen Abend (er war gerade aus der Proszeniumsloge in der Oper gekommen). »Mein lieber Sedley, im Namen aller Cupidos 5 , stellen Sie mich ihr vor!«
»Ihr Name, Monseigneur«, sagte Lord Joseph mit feierlicher Verbeugung, »ist Sedley.«
»Vous avez alors un bien beau nom« 6 , sagte der junge Prinz, während er sich recht enttäuscht auf dem Absatz herumdrehte. Dabei trat er einem alten Herrn auf den Fuß, der, in tiefe Bewunderung der schönen Lady Amelia versunken, hinter ihm stand.
»Trente mille tonnerres!« 7 schrie das Opfer und krümmte sich in der agonie du moment 8 .
»Ich bitte Eure Gnaden tausendmal um Verzeihung«, sagte der junge étourdi 9 errötend und neigte seine blonden Locken tief. Er war dem größten Hauptmann aller Zeiten auf die Zehen getreten!
»Oh, Devonshire!« rief der junge Prinz einem hochgewachsenen, gutmütigen Edelmann zu, dessen Gesichtszüge ihn als einen vom Blut der Cavendish 10 auswiesen. »Nur auf ein Wort! Beabsichtigen Sie noch, sich von Ihrer Diamantkette zu trennen?«
»Ich habe sie für zweihundertundfünfzig Pfund an Fürst Esterhazy hier verkauft.«
»Und das war gar nicht teuer, potztausend«, rief der fürstliche Ungar und so weiter und so fort.
Sehen Sie, meine Damen, so hätte die Erzählung aussehen können, wenn der Verfasser die Absicht gehabt hätte, sie so zu schreiben. Er ist nämlich, um die Wahrheit zu gestehen, ebenso bekannt mit Newgate 11 wie mit den Palästen unserer verehrten Aristokratie und hat beide von außen gesehen. Da ich aber die Sprache und Sitten von Rookery 12 nicht verstehe noch die Konversation in vielen Sprachen, die nach den Modeschriftstellern die Tonangebenden führen sollen, so müssen wir, wenn der Leser gestattet, bescheiden unseren goldenen Mittelweg beibehalten und die Schauplätze und Personen beschreiben, die wir am besten kennen. Mit einem Wort, dieses Kapitel über Vauxhall wäre ohne obige kleine Erörterung so außerordentlich kurz ausgefallen, daß es die Bezeichnung Kapitel kaum verdient hätte. Und doch ist es ein Kapitel, und sogar ein sehr wichtiges. Gibt es nicht in jedermanns Leben kurze, scheinbar bedeutungslose Kapitel, die doch die ganze übrige Geschichte beeinflussen?
Wir wollen also mit der Gesellschaft vom Russell Square in die Kutsche steigen und in die Vauxhall-Gärten fahren. Auf dem Vordersitz zwischen Joe und Miss Sharp ist kaum noch Platz. Mr. Osborne sitzt gegenüber, eingezwängt zwischen Hauptmann Dobbin und Amelia.
Alle Insassen der Kutsche waren sich einig, daß Joe an dem Abend Rebekka Sharp bitten würde, Mrs. Sedley zu werden. Die Eltern daheim hatten sich stillschweigend in die Sache ergeben, obgleich, unter uns gesagt, der alte Mr. Sedley für seinen Sohn so etwas wie Verachtung fühlte. Er nannte ihn eitel, selbstsüchtig, träge und weibisch. Er konnte sein weltmännisches Gehabe nicht ausstehen und lachte herzlich über seine prahlerischen Aufschneidergeschichten. »Der Bursche wird mein halbes Vermögen erben«, sagte er, »daneben wird er selbst eine ganze Menge besitzen, aber ich bin völlig sicher, wenn du und ich und seine Schwester morgen sterben müßten, würde er ›Ach du lieber Gott!‹ sagen und sich seinem Essen ganz wie sonst widmen. Ich werde mir seinetwegen keine grauen Haare wachsen lassen. Meinethalben soll er heiraten, wen er will. Das ist nicht meine Angelegenheit.«
Amelia dagegen war, wie alle jungen Mädchen ihres Geistes und Temperamentes, ganz begeistert für die Verbindung. Ein- oder zweimal hatte Joe angesetzt, ihr etwas sehr Wichtiges zu sagen, und sie hätte ihm
Weitere Kostenlose Bücher