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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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beinahe der Späße seiner Kameraden darüber schämte und seinem Diener befahl, sie nur in seiner Privatwohnung abzugeben. Es wurde beobachtet, wie er sogar einmal seine Zigarre mit einem solchen Brief anzündete, zum Entsetzen Hauptmann Dobbins, der, wie ich glaube, das Dokument gern mit einer Banknote aufgewogen hätte.
    Einige Zeit suchte George die Verbindung geheimzuhalten. Er gab zu, daß eine Frau im Spiel sei. »Bestimmt nicht die erste«, sagte Fähnrich Spooney zu Fähnrich Stubble. »Der Osborne ist ein Teufelskerl. In Demerara wurde eine Richterstochter seinetwegen fast verrückt; dann kam in Sankt Vincent das prachtvolle Quarteronmädchen 1 , Miss Pye, Sie wissen; und seitdem er nach England zurückgekommen ist, soll er ein wahrer Don Juan sein, beim Zeus!«
    Stubble und Spooney dachten, daß, »beim Zeus, ein wahrer Don Juan« zu sein, eine der besten Eigenschaften eines Mannes sei, und Osborne erfreute sich bei den jungen Leuten des Regiments eines ungeheuren Ansehens. Er war ausgezeichnet in allen möglichen Sportarten, er war ein ausgezeichneter Sänger, er war ausgezeichnet bei der Parade und freigebig mit dem Gelde, womit ihn sein Vater reichlich versah. Seine Röcke waren besser gearbeitet als die aller anderen im Regiment, und er hatte mehr davon als alle anderen. Die Soldaten beteten ihn an. Er konnte mehr trinken als alle anderen in der Offiziersmesse, einschließlich des alten Obersten Heavytop. Im Boxen übertraf er selbst Knuckles, den Gemeinen (der Preiskämpfer gewesen war und ohne seine Trunksucht zum Korporal befördert worden wäre); auch war er weitaus der beste Kricketspieler und Kegler des ganzen Regimentsklubs. Bei den Quebecker Rennen ritt er sein eigenes Pferd, den »Geölten Blitz«, und gewann den Garnisonspokal. Außer Amelia gab es noch andere, die ihn verehrten. Stubble und Spooney hielten ihn für eine Art Apollo, Dobbin für einen »bewundernswerten Chrichton 2 «, und die Majorin O'Dowd bekannte, daß er ein eleganter junger Bursche sei und sie an Fitzjurld Fogarty, Lord Castlefogartys zweiten Sohn, erinnere.
    Stubble und Spooney und alle anderen ergingen sich also in höchst romantischen Vermutungen, wer Osborne wohl Briefe schreibe. Sie meinten bald, es sei eine Londoner Herzogin, die sich in ihn verliebt habe, bald, es sei eine Generalstochter, die mit einem anderen verlobt sei, ihn aber rasend liebe, bald, es sei die Frau eines Parlamentsabgeordneten, die ihm eine Entführung im Vierspänner vorschlage, bald, es sei ein anderes Opfer einer für alle Teile reizvollen, aufregenden, romantischen und schmachvollen Leidenschaft. Auf alle diese Vermutungen wollte Osborne nicht das geringste Licht werfen und ließ seine jungen Bewunderer und Freunde ihre ganze Geschichte nach Belieben erfinden und ausspinnen.
    Der wirkliche Sachverhalt wäre nie im Regiment bekannt geworden, hätte nicht Hauptmann Dobbin Indiskretion geübt. Eines Tages saß der Hauptmann beim Frühstück in der Offiziersmesse, als der Unterarzt Cackle und die beiden obenerwähnten Ehrenmänner Vermutungen über Osbornes Liebeshandel anstellten. Stubble behauptete, die Dame sei eine Herzogin am Hofe der Königin Charlotte, und Cackle schwor, es sei eine berüchtigte Opernsängerin. Diese Worte erregten Dobbin dermaßen, daß er, den Mund voller Ei und Butterbrot, herausplatzte, obwohl er gar nichts hätte sagen dürfen: »Cackle, Sie sind ein Gummkopf. Immer haben Sie Unsinn und Skandalgeschichten auf Lager. Osborne hat nicht vor, eine Herzogin zu entführen oder eine Putzmacherin unglücklich zu machen. Miss Sedley ist eines der bezauberndsten jungen Mädchen, die es je gegeben hat. Er ist mit ihr schon seit langem verlobt, und wer sie beschimpft, sollte es nicht in meiner Gegenwart tun.«
    Hier schwieg Dobbin, puterrot geworden, und erstickte beinahe an einer Tasse Tee. In einer halben Stunde wußte das ganze Regiment die Geschichte, und noch am gleichen Abend schrieb die Majorin O'Dowd an ihre Schwägerin Glorvina in O'Dowdstown, sie brauche sich nicht zu beeilen, von Dublin anzureisen, der junge Osborne sei bereits, und leider zu früh, verlobt.
    Am Abend beglückwünschte sie den Leutnant in einer angemessenen Rede bei einem Glase Whisky-Toddy, und George ging wütend nach Hause, um mit Dobbin zu streiten, weil er sein Geheimnis verraten hatte. (Dobbin hatte die Einladung der Majorin O'Dowd ausgeschlagen und saß in seinem Zimmer, wo er Flöte spielte und, wie ich glaube, höchst melancholische Verse

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