Jahrmarkt der Eitelkeit
als einen Milchbart? Er hatte sich die Hörner noch nicht abgelaufen, aber das mußte doch wohl bald geschehen; auch würde er wohl seinen Abschied nehmen, da jetzt der Friede verkündet war, das korsische Ungeheuer auf Elba festsaß. Mit der Beförderung war es natürlich nun auch vorbei, da sich ihm nun keine Gelegenheit mehr bot, seine unzweifelhaften militärischen Talente und seine Tapferkeit an den Tag zu legen. Sein Geld, zusammen mit Amelias Mitgift, konnten ausreichen, sich auf dem Lande, in der Nähe einer guten Jagd, bequem niederzulassen; da konnte George ein wenig jagen und ein wenig Landwirtschaft betreiben, und sie würden beide sehr glücklich sein. Denn als verheirateter Mann konnte er unmöglich in der Armee bleiben. Man stelle sich einmal Mrs. George Osborne vor, in einem Landstädtchen einquartiert oder, was noch schlimmer wäre, in Ost- oder Westindien, in der Gesellschaft von Offizieren und unter dem Schutz der Majorin O'Dowd. Amelia lachte sich halbtot über die Geschichten, die Osborne von der Majorin O'Dowd erzählte. Er liebte Amelia viel zu sehr, um sie jenem abscheulichen Weib mit ihren Gemeinheiten und dem rauhen Leben einer Soldatenfrau auszusetzen. An sich selbst dachte er nicht, nein. Aber sein liebes kleines Mädchen sollte die Stellung in der Gesellschaft einnehmen, die ihr als seiner Frau zukam. Und wie zu erwarten, stimmte sie diesen Vorschlägen zu, wie sie überhaupt allen Vorschlägen, die von ihm kamen, zustimmen würde.
Bei solcher Unterhaltung brachte das junge Paar einige Stunden sehr angenehm zu und baute Luftschlösser. Amelia schmückte sie mit allerlei Blumengärten, ländlichen Spaziergängen, Dorfkirchen, Sonntagsschulen und dergleichen mehr, während George sein geistiges Auge auf die Stallungen, den Hundezwinger und den Keller gerichtet hatte. Da dem Leutnant nur ein Tag in der Stadt zur Verfügung stand und er noch ungeheuer viele und wichtige Geschäfte zu erledigen hatte, so schlug er vor, daß Miss Emmy bei ihren zukünftigen Schwägerinnen speisen sollte. Die Einladung wurde freudig angenommen. Er begleitete sie zu seinen Schwestern hinüber, wo er sie so gesprächig und plauderlustig zurückließ, daß die Damen ganz erstaunt dachten, George würde vielleicht doch noch etwas aus ihr machen. Dann ging er fort, um seine Geschäfte zu erledigen.
Um es kurz zu machen: Er ging Eis essen in einer Konditorei am Charing Cross, probierte einen neuen Rock in der Pall Mall, sprach im Old Slaughter vor und ließ Hauptmann Cannon rufen, spielte elf Partien Billard mit dem Hauptmann, wovon er acht gewann, und kehrte eine halbe Stunde zu spät fürs Abendessen, aber in vortrefflicher Laune zum Russell Square zurück.
Nicht ganz so verhielt es sich mit dem alten Osborne. Als dieser Herr aus der City nach Hause kam und im Salon von seinen Töchtern und der eleganten Miss Wirt empfangen wurde, sahen diese an seinem Gesicht – das auch in den besten Zeiten aufgeblasen, feierlich und gelb war – sowie an seinem düsteren Blick und dem Zucken seiner schwarzen Augenbrauen, daß ihm das Herz unter der großen weißen Weste unruhig und beklommen schlug. Als Amelia auf ihn zuging, um ihn, wie stets, mit Zittern und Zagen zu begrüßen, gab er als Zeichen des Erkennens ein grämliches Grunzen von sich und ließ die kleine Hand seiner großen, zottigen Pfote entsinken, ohne einen Versuch zu machen, sie festzuhalten.
Er sah sich düster nach seiner ältesten Tochter um, sie erfaßte die Bedeutung seines Blickes, der unverkennbar fragte: Was, zum Teufel, will die denn hier?, und sagte schnell:
»George ist in der Stadt, Papa, er ist ins Kriegsministerium gegangen und wird zum Essen wieder hiersein.«
»Ei, ei, tatsächlich? Ich will nicht, daß man mit dem Essen auf ihn wartet, Jane«, und damit sank der würdige Mann in seinen Stuhl, und nun wurde die vollkommene Stille in dem vornehmen, gut eingerichteten Salon nur noch durch das aufgeregte Ticken der großen französischen Uhr unterbrochen.
Als dieses Chronometer, auf dem sich eine heitere Bronzedarstellung der Opferung Iphigenies befand, mit tiefer Kirchenglockenstimme fünf geschlagen hatte, riß Mr. Osborne aus Leibeskräften am Klingelzug zu seiner Rechten, und der Butler stürzte herein.
»Essen!« brüllte Mr. Osborne.
»Mr. George ist noch nicht da, Sir«, entgegnete der Butler.
»Zum Teufel mit Mr. George, Herr! Bin ich hier Herr im Hause? Essen!!« donnerte Mr. Osborne, und sein Blick war dabei ungemein düster.
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