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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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Amelia zitterte. Die drei anderen Damen telegraphierten einander mit den Augen. Die gehorsame Glocke in den unteren Regionen begann das Zeichen zum Essen zu geben. Als das Läuten vorbei war, schob das Familienoberhaupt die Hände in die großen Taschen seines großen blauen Rockes mit den Messingknöpfen und schritt, ohne auf eine weitere Einladung zu warten, allein die Treppe hinab, wobei er die vier Frauen scheel über die Schulter ansah.
    »Was ist nun wieder los, meine Teure?« fragten sie einander, als sie aufstanden und behutsam hinter dem Hausherrn hertrippelten.
    »Vermutlich fallen die Aktien«, flüsterte Miss Wirt, und so folgte die weibliche Gesellschaft zitternd und schweigend ihrem finsteren Führer, und schweigend nahmen sie ihre Plätze ein. Er knurrte einen Segen, der barsch klang wie ein Fluch. Dann wurden die großen silbernen Deckel abgenommen. Amelia zitterte auf ihrem Platz, denn sie saß dem furchtbaren Osborne am nächsten, ganz allein an ihrer Tischseite – die Lücke war durch Georges Abwesenheit entstanden.
    »Suppe?« fragte Mr. Osborne mit Grabesstimme, den Schöpflöffel in der Hand, und heftete die Augen auf sie. Nachdem er sie und die übrigen bedient hatte, redete er eine Weile kein Wort.
    »Nimm Miss Sedleys Teller weg«, befahl er schließlich. »Sie kann die Suppe nicht essen – und ich auch nicht. Sie ist ganz scheußlich. Nimm die Suppe weg, Hicks, und du, Jane, kannst morgen die Köchin wegschicken.«
    Nachdem Mr. Osborne das Thema Suppe beendigt hatte, machte er ein paar kurze, gleichfalls bösartige und satirische Bemerkungen über den Fisch und verwünschte Billingsgate mit einem Nachdruck, der ganz dem Ort entsprach. Dann verfiel er in Schweigen und stürzte mehrere Gläser Wein hinunter, wobei sein Blick ständig furchterregender wurde, bis ein lebhaftes Klopfen an der Haustür Georges Ankunft meldete und alle sich wieder faßten.
    Er habe nicht früher kommen können. General Daguilet im Kriegsministerium habe ihn warten lassen. Suppe oder Fisch brauche er nicht unbedingt. Man solle ihm irgend etwas geben – ganz egal was. Prächtiges Hammelfleisch, alles prächtig. Seine gute Laune stand im Gegensatz zu seines Vaters Ernst, und er schwatzte während des Essens unaufhörlich, zur Freude aller und besonders einer, die nicht genannt zu werden braucht.
    Sobald die jungen Damen die Orange und das Glas Wein genossen hatten, was gewöhnlich den Abschluß der traurigen Bankette in Mr. Osbornes Haus bildete, wurde das Zeichen zum Absegeln in den Salon gegeben. Alle erhoben sich und gingen davon. Amelia hoffte, George würde sich bald zu ihnen gesellen. Sie begann auf dem großen, lederverkleideten Flügel mit den geschnitzten Beinen droben im Salon einige seiner Lieblingswalzer (die damals ganz neu waren) zu spielen. Aber dieser kleine Kunstgriff brachte ihn nicht hinauf. Er war taub für die Walzer; sie klangen leiser und leiser, und bald verließ die entmutigte Spielerin das riesige Instrument. Obgleich nun ihre drei Freundinnen ein paar sehr laute und brillante neue Stücke aus ihrem Repertoire spielten, so hörte sie doch keine einzige Note, sondern war nachdenklich, Unheil schwante ihr. Der alte Osborne war zwar immer finster und schrecklich, aber noch nie hatte er so tödliche Blicke gegen sie geschleudert. Seine Augen verfolgten sie bis zur Tür, als ob sie etwas verbrochen hätte. Als man ihr den Kaffee reichte, fuhr sie zurück, als ob Mr. Hicks, der Butler, ihr einen Giftbecher anbieten wollte. Welches Geheimnis verbarg sich wohl dahinter? Oh, diese Frauen! Sie hegen und pflegen ihre Ahnungen und hätscheln ihre garstigen Gedanken, wie sie ihre verunstalteten Kinder hätscheln.
    Die Düsterkeit im väterlichen Gesicht hatte auch George Osborne ängstlich gemacht. Wie sollte George bei solchen finsteren Augenbrauen und einem so ausgesprochen galligen Blick das Geld aus dem Familienoberhaupt herauslocken, das er so nötig brauchte? Er fing an, seines Vaters Wein zu loben. Das war gewöhnlich ein erfolgreiches Mittel, dem alten Herrn zu schmeicheln.
    »Wir haben in Westindien nie so guten Madeira bekommen wie deinen. Oberst Heavytop trank neulich drei Flaschen von dem, den du mir geschickt hast.«
    »Wirklich?« fragte der alte Herr. »Die Flasche kostet mich acht Shilling.«
    »Willst du sechs Guineen für ein Dutzend Flaschen haben?« fragte George lachend. »Einer der größten Männer des Königreiches möchte gern welchen davon.«
    »Wirklich?« brummte der Alte.

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