Jahrmarkt der Eitelkeit
1820 und lebt jetzt herrlich und in Freuden mit seiner zahlreichen Familie in seiner eleganten Villa, Muswell Hill. Aber die Erinnerung an diesen guten Burschen soll uns nicht verleiten, von der Hauptgeschichte abzuschweifen.
Hoffentlich hat der Leser eine viel zu gute Meinung von Hauptmann Crawley und seiner Frau, um anzunehmen, daß sie je auf den Gedanken hätten kommen können, einen so entfernten Stadtteil wie Bloomsbury aufzusuchen, wenn sie gewußt hätten, daß die Familie, die sie mit einem Besuch beehren wollten, nicht nur gesellschaftsunfähig, sondern auch völlig mittellos geworden war und ihnen in keiner Weise mehr nützen konnte. Rebekka war ganz überrascht, als sie das gute alte Haus, wo man sie so freundlich aufgenommen hatte, von Maklern und Trödlern durchwühlt und seine stillen Familienschätze öffentlicher Entweihung und Plünderung ausgesetzt sah. Einen Monat nach ihrer Flucht hatte sie sich an Amelia erinnert, und Rawdon hatte sich mit wieherndem Gelächter bereit erklärt, wieder einmal den jungen George Osborne zu treffen. »Er ist ein angenehmer Bekannter, Beck«, fügte der Spaßvogel hinzu. »Ich würde ihm gern noch ein Pferd verkaufen, Beck. Ich würde gern noch ein paar Partien Billard mit ihm spielen. Er könnte uns gerade jetzt sehr nützlich sein, um es mal so auszudrücken, haha!« Man darf nun aus diesen Reden nicht etwa schließen, daß Rawdon Crawley beabsichtigte Mr. Osborne zu betrügen, er wollte nur den ehrlichen Vorteil aus ihm ziehen, den fast jeder Spieler auf dem Jahrmarkt der Eitelkeit von seinem Nächsten gewinnen zu dürfen glaubt.
Die alte Tante ließ sich nicht so schnell »herumkriegen«. Ein Monat war verstrichen. Mr. Bowls verweigerte Rawdon den Zutritt, seine Diener durften nicht mehr im Hause in der Park Lane weilen, seine Briefe wurden ungeöffnet zurückgeschickt. Miss Crawley bewegte sich nicht aus dem Haus – sie war unpäßlich –, und Mrs. Bute war noch immer da und wich ihr nicht von der Seite. Sowohl Crawley wie seine Frau mutmaßten Schlimmes aus Mrs. Butes ständiger Anwesenheit.
»Bei Gott, ich fange an zu begreifen, warum sie uns in Queen's Crawley stets zusammenbrachte«, sagte Rawdon.
»So ein gerissenes Weibstück«, rief Rebekka aus.
»Nun, wenn du es nicht tust – ich bereue es nicht«, rief der Hauptmann, noch immer im Liebestaumel für seine Frau, die ihn als Antwort mit einem Kuß belohnte und über das großherzige Vertrauen ihres Mannes sehr erfreut war.
Wenn er nur ein bißchen mehr Verstand hätte, dachte sie bei sich, so könnte ich noch etwas aus ihm machen, aber sie ließ ihn nie merken, welche Meinung sie von ihm hatte, lauschte mit unermüdlicher Geduld seinen Stall- und Offizierstischgeschichten, lachte über alle seine Witze, interessierte sich sehr für Jack Spatterdash, dessen Pferd gestürzt war, und für Bob Martingale, der in einer Spielhalle aufgegriffen worden war, und für Tom Cinqbars, der an der Steeplechase 3 teilnehmen wollte. Kam er nach Hause, so war sie lustig und glücklich, ging er aus, so redete sie ihm noch zu, blieb er zu Hause, so spielte und sang sie ihm vor, bereitete ihm köstliche Getränke, beaufsichtigte sein Essen, wärmte seine Pantoffeln und badete seine Seele in Behaglichkeit. »Die besten Frauen«, so sagte meine Großmutter immer, »sind Heuchlerinnen.« Wir wissen nicht, wieviel sie vor uns verbergen, wie wachsam sie sind, wenn sie ganz harmlos und vertrauensselig scheinen, wie häufig das offene Lächeln, das sie so gern zur Schau tragen, eine Falle ist, um zu schmeicheln, abzulenken oder zu entwaffnen – dabei meine ich nicht einmal die Koketten, sondern unsere häuslichen Vorbilder und Muster weiblicher Tugend. Wer hat nicht schon gesehen, wie eine Frau die Dummheit ihres Mannes geschickt verbarg oder seinen Zorn besänftigte? Wir lassen uns diese angenehme Sklaverei gefallen, loben die Frauen noch dafür und nennen den hübschen Betrug Wahrheit. Eine gute Hausfrau ist stets eine Lüge, und Cornelias Gemahl wurde ebenso getäuscht wie Potiphar 4 – nur in anderer Weise.
Durch diese Aufmerksamkeiten wurde der alte Liederjan Rawdon Crawley allmählich in einen glücklichen und gehorsamen Ehemann umgewandelt. Die Spießgesellen seiner früheren Tage bekamen ihn nicht mehr zu sehen. Sie fragten ein paarmal in seinen Klubs nach ihm, vermißten ihn aber nicht sehr. In jenen Buden auf dem Jahrmarkt der Eitelkeit vermißt man einander kaum. Seine einsame, aber stets lächelnde und
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