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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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nein, wirklich, wir müssen gewissen Leuten zeigen, daß wir so gut sind wie sie. Gib nur Edward einige Hoffnung, und du wirst sehen. Wir müssen eine Gesellschaft geben, Sedley. Warum sprichst du nicht, John? Soll ich sagen, Dienstag in vierzehn Tagen? Aber warum antwortest du nicht? Guter Gott, John, was ist geschehen?«
    John Sedley sprang aus seinem Stuhl auf, seiner Frau entgegen, die auf ihn zustürzte. Er nahm sie in die Arme und sagte hastig: »Wir sind ruiniert, Mary. Wir müssen nun wieder von vorn anfangen, meine Liebe. Es ist das beste, du erfährst sofort alles.«
    Als er sprach, zitterte er am ganzen Leibe und sank fast zu Boden. Er dachte, die Nachricht würde seine Frau überwältigen, diese Frau, der er nie ein hartes Wort gegeben hatte. Aber nun war er am tiefsten erschüttert, so plötzlich auch der Schlag für sie kam. Als er in seinen Stuhl zurücksank, übernahm seine Frau das Trösteramt. Sie ergriff seine zitternden Hände, küßte sie und legte sie um ihren Hals; sie nannte ihn ihren John ... ihren lieben John ... ihren alten Mann ... ihren guten alten Mann; sie ergoß hundert unzusammenhängende Worte der Liebe und Zärtlichkeit über ihn, ihre treue Stimme und ihre schlichten Liebkosungen entzückten und quälten dieses betrübte Herz zugleich und erleichterten und trösteten seine beladene Seele.
    Nur einmal im Laufe der langen Nacht, als sie beieinandersaßen und der arme Sedley in einer Generalbeichte seine verschlossene Seele auftat und die Geschichte seiner Verluste und Verlegenheiten erzählte – den Verrat einiger seiner ältesten Freunde, die mannhafte Freundlichkeit anderer, von denen er es nie erwartet hätte –, nur einmal machte die treue Frau ihren Gefühlen Luft. »Mein Gott, mein Gott! Es wird Emmy das Herz brechen«, sagte sie.
    Der Vater hatte das arme Mädchen vergessen. Sie lag unglücklich oben in ihrem Zimmer wach. Umgeben von Freunden und gütigen Eltern, war sie in ihrem eigenen Hause einsam. Wie vielen Menschen kann man alles erzählen? Wer ist offen, wo er keinem Mitgefühl begegnet, oder wer kann schon mit denen sprechen, die doch kein Verständnis haben? So war unsere sanfte Amelia einsam. Sie hatte keine Vertraute mehr, seitdem sie etwas anzuvertrauen hatte. Ihrer alten Mutter konnte sie mit ihren Zweifeln und Sorgen nicht kommen, und ihre sogenannten Schwestern schienen ihr jeden Tag fremder. Sie hatte auch Ahnungen und Befürchtungen, die sie sich selbst nicht einzugestehen wagte, obwohl sie insgeheim dauernd darüber brütete.
    Ihr Herz suchte ihr fortwährend zu versichern, daß George Osborne ihrer würdig und ihr treu sei, obgleich sie es anders wußte. Wie vieles hatte sie gesagt, ohne ein Echo von ihm zu vernehmen. Wie oft mußte sie dem Verdacht der Selbstsucht und der Gleichgültigkeit begegnen und ihn hartnäckig niederkämpfen. Wem konnte die arme kleine Märtyrerin diese tagtäglichen Kämpfe und Qualen anvertrauen? Ihr Held selbst verstand sie nur halb. Sie wagte es nicht, sich zu gestehen, daß der Mann ihrer Liebe ihr unterlegen war; sie wollte nicht fühlen, daß sie ihr Herz zu schnell verschenkt hatte. Da dies nun aber einmal geschehen war, so war das reine, schamhafte Mädchen zu bescheiden, zu zärtlich, zu vertrauensvoll, zu schwach, zu sehr Frau, um es wieder zurückzunehmen. Wir gehen mit der Liebe unserer Frauen wie die Türken um und haben sie zur Anerkennung unserer Lehre gezwungen. Wir lassen ihren Körper frei umhergehen, sie dürfen lächeln und Locken und rosa Hüte tragen, anstatt sich hinter Schleier und Jaschmak 7 zu verbergen. Aber ihre Seele darf nur von einem einzigen Mann gesehen werden, und sie gehorchen nicht ungern und sind einverstanden, als unsere Sklavinnen zu Hause zu bleiben, uns zu bedienen und sich für uns abzuplagen.
    So gefangen und gequält war dieses sanfte Herzchen, als im März Anno Domini 1815 Napoleon in Cannes landete, Ludwig XVIII. 8 floh, ganz Europa in Unruhe versetzt wurde, die Aktien fielen und der alte John Sedley ruiniert wurde.
    Wir wollen dem würdigen alten Börsenmakler nicht durch die letzten Qualen und Kämpfe des Ruins folgen, bis sein geschäftlicher Tod eintrat. Er wurde auf der Börse als zahlungsunfähig ausgehängt, er blieb von seinem Kontor weg, seine Wechsel wurden protestiert, sein Bankrott wurde in aller Form ausgesprochen. Das Haus und die Einrichtung am Russell Square wurden beschlagnahmt und verkauft und er und seine Familie daraus vertrieben, wie wir gesehen haben. Sollten sie

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