Jahrmarkt der Eitelkeit
gefühlvoll fort. »Fünfundzwanzig Guineen für das kleine Klavier ist unheimlich teuer. Wir haben es bei Broadwood für Amelia gekauft, als sie aus der Schule kam. Damals hat es nur fünfunddreißig gekostet.«
»Der Dingsda, dieser – Osborne wird sich jetzt vermutlich von der Kleinen lossagen, wo die Familie doch nun pleite ist. Deine hübsche kleine Freundin wird jetzt ganz schön geklatscht sein, glaubst du, Becky?«
»Ich nehme an, sie wird es überstehen«, sagte Becky lächelnd. Und sie fuhren weiter und sprachen von etwas anderem.
18. Kapitel
Wer spielt auf dem Klavier, das Hauptmann Dobbin gekauft hat?
Zu ihrem Erstaunen sieht sich nun unsere Geschichte einen Augenblick lang in Verbindung mit sehr berühmten Ereignissen und Personen am Rockzipfel der Weltgeschichte hängen. Die Adler Napoleon Bonapartes, des korsischen Emporkömmlings, flogen nach einem kurzen Aufenthalt auf der Insel Elba und in der Provence weiter von Kirchturm zu Kirchturm, bis sie sich auf den Türmen von Notre Dame in Paris niederließen, und ich möchte eigentlich wissen, ob die kaiserlichen Vögel dabei ein Auge hatten für einen kleinen Winkel der Gemeinde Bloomsbury in London, den man für so still halten möchte, daß selbst das Schwirren und Schlagen dieser gewaltigen Flügel dort unbemerkt vorübergehen würde.
»Napoleon ist in Cannes gelandet.« 1 Solch eine Nachricht konnte wohl in Wien Panik hervorrufen, Rußland veranlassen, seine Karten hinzuwerfen, Preußen in Verlegenheit setzen und Talleyrand 2 und Metternich 3 zum Kopfschütteln veranlassen, während Fürst Hardenberg 4 und sogar der jetzige Marquis von Londonderry 5 ganz verwirrt waren. Wie konnte diese Nachricht aber eine junge Dame am Russell Square berühren, vor deren Tür der Nachtwächter die Stunden ausrief, während sie schlief, die beim Spazierengehen auf dem Platz nicht ohne Schutz war, die auch nur beim kleinsten Gang zur Southampton Row, um dort ein Band zu kaufen, von dem schwarzen Sambo mit einem ungeheuren Stock begleitet wurde, die stets von vielen bezahlten und unbezahlten Schutzengeln umsorgt, gekleidet, zu Bett gebracht und bewacht wurde? Bon Dieu 6 , sage ich, ist es nicht schlimm, daß das verhängnisvolle Rasen des Kaiserkampfes nicht vor sich gehen kann, ohne eine arme, harmlose Achtzehnjährige am Russell Square zu berühren, die sich nur mit Schnäbeln, Girren und Musselinkragensticken beschäftigt? Auch du, liebliche, schlichte Blume! Soll der brüllende Kriegssturm dich umwerfen, obgleich du unter dem sicheren Dach von Holborn kauerst? Ja, Napoleon setzt das Letzte aufs Spiel, und das Glück der armen kleinen Emmy Sedley spielt irgendwie eine Rolle dabei.
Zunächst hatte die verhängnisvolle Nachricht das Vermögen ihres Vaters weggefegt. Dem unglücklichen alten Herrn waren in der letzten Zeit alle Spekulationen fehlgeschlagen. Unternehmungen waren mißlungen, Kaufleute hatten Bankrott gemacht, Staatspapiere waren gestiegen, als er aufs Sinken gerechnet hatte. Was brauchen wir noch auf Einzelheiten einzugehen? Wo Erfolge selten und langsam werden, kommt der Ruin schnell und leicht. Der alte Sedley hatte seine traurige Lage verschwiegen. Alles schien in dem ruhigen, reichen Hause seinen gewöhnlichen Gang zu gehen; die gutmütige Hausherrin setzte nichtsahnend ihren geschäftigen Müßiggang fort und erfüllte ihre täglichen leichten Pflichten; die Tochter war noch immer ausschließlich mit dem gleichen selbstsüchtigen, zärtlichen Gedanken beschäftigt und kümmerte sich nicht um ihre Umwelt – bis jener Schlag kam, unter dem die würdige Familie fiel.
Eines Abends schrieb Mrs. Sedley Einladungskarten für eine Gesellschaft; die Osbornes hatten eine gegeben, und sie durfte nicht zurückstehen. John Sedley, der sehr spät aus der City heimgekommen war, saß schweigend am Kamin, während seine Frau ihm etwas vorschwatzte. Emmy war unpäßlich und hatte sich niedergeschlagen auf ihr Zimmer zurückgezogen. »Sie ist nicht glücklich«, fuhr die Mutter in ihrem Gespräch fort. »George Osborne vernachlässigt sie. Ich kann das Gebaren dieser Leute nicht ausstehen. Die Mädchen sind seit drei Wochen nicht mehr hiergewesen, und George war zweimal in der Stadt, ohne uns zu besuchen. Edward Dale hat ihn in der Oper gesehen. Ich glaube bestimmt, Edward würde sie heiraten; und dann ist da noch Hauptmann Dobbin, der auch – nur, ich kann keinen Soldaten leiden. Was für ein Stutzer der George geworden ist! Und dieses militärische Gehabe;
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