Jahrmarkt der Eitelkeit
lustige Frau, seine behagliche kleine Wohnung, die netten Mahlzeiten und die gemütlichen Abende zu Hause hatten für ihn den Zauber des Neuen und Heimlichen. Die Heirat war bis jetzt noch nicht bekanntgegeben oder in der »Morning Post« veröffentlicht worden. Seine Gläubiger hätten sich wie ein Mann auf ihn gestürzt, wäre ihnen bekannt geworden, daß er eine Frau ohne Vermögen geheiratet hatte. »Meine Verwandten werden nicht pfui über mich schreien«, sagte Becky mit bitterem Lachen; und sie war ganz zufrieden damit, zu warten, bis die alte Tante sich mit ihnen versöhnt hatte, ehe sie ihren Platz in der Gesellschaft beanspruchen würde. So lebte sie in Brompton und sah niemanden – außer den wenigen Freunden ihres Mannes, die in ihrem kleinen Speisezimmer zugelassen wurden. Die waren alle ganz bezaubert von ihr. Die kleinen Diners, das Lachen und Plaudern und anschließend die Musik entzückten alle, die an diesen Genüssen teilnehmen durften. Major Martingale dachte nie daran, nach der Heiratslizenz zu fragen. Hauptmann Cinqbars war hingerissen von ihrer Geschicklichkeit im Punschbereiten. Und der junge Leutnant Spatterdash (er spielte gern Pikett und wurde von Crawley oft eingeladen) war bald offensichtlich in Mrs. Crawley vernarrt. Aber ihre Umsicht und ihr Anstand verließen sie keinen Augenblick, und Crawleys Ruf als rauflustiger und eifersüchtiger Soldat waren ein weiterer vollkommener Schutz für seine kleine Frau.
Es gibt in London vornehme Herren von guter Familie, die noch nie den Salon einer Dame betreten haben, so daß zwar Rawdon Crawleys Heirat in seiner Grafschaft wahrscheinlich besprochen wurde, da Mrs. Bute die Neuigkeit verbreitet hatte; in London dagegen wurde sie angezweifelt oder nicht beachtet oder überhaupt nicht besprochen. Er lebte behaglich auf Kredit, hatte ein großes Schuldenkapital, das, vernünftig angelegt, einen Mann jahrelang erhalten kann und von dem bestimmte Menschen in London hundertmal besser zu leben verstehen als Leute mit Bargeld. Wer, zu Fuß in den Straßen der Stadt unterwegs, kann nicht ein halbes Dutzend Leute herausfinden, die glanzvoll an ihm vorbeireiten, die von der vornehmen Welt hofiert werden, die von Kaufleuten mit Verbeugungen zu ihren Kutschen geleitet werden, die sich nichts versagen und wer weiß wovon leben? Wir sehen, wie Jack Verschwender im Park paradiert oder in seinem Brougham 5 die Pall Mall hinunterrast; wir speisen bei ihm von seinem wundervollen Silbergeschirr und fragen: »Wie hat das angefangen und wo wird es enden?« – »Mein lieber Junge«, hörte ich Jack einmal sagen, »ich habe in jeder Hauptstadt Europas Schulden.« Einmal muß das Ende kommen, aber inzwischen lebt Jack herrlich und in Freuden, die Leute freuen sich, ihm die Hand schütteln zu dürfen, hören nicht auf die dunklen Geschichtchen, die man sich hin und wieder über ihn zuflüstert, und erklären ihn für einen gutmütigen, lustigen, sorglosen Burschen.
Die Wahrheit zwingt uns, zuzugeben, daß Rebekka einen Mann dieses Schlages geheiratet hat. Im Haus gab es alles in Hülle und Fülle, nur kein Bargeld, und dieser Mangel machte sich in dem jungen Haushalt bald bemerkbar. Als Rawdon eines Morgens die »Gazette« 6 las, stieß er auf die Mitteilung: »Leutnant G. Osborne rückt durch Kauf zum Hauptmann auf, anstelle von Smith, der sich in ein anderes Regiment versetzen läßt.« Da machte er über Amelias Liebhaber jene Bemerkung, die mit dem Besuch am Russell Square endete.
Als Rawdon und seine Frau bei der Auktion mit Hauptmann Dobbin sprechen und Näheres über die Katastrophe wissen wollten, die Rebekkas alte Bekannte betroffen hatte, war der Hauptmann verschwunden. Das bißchen, was sie erfuhren, stammte von den Lastträgern oder den Maklern auf der Auktion.
»Sieh doch mal die Leute dort mit den Hakennasen«, sagte Becky vergnügt, als sie, das Gemälde unter dem Arm, in den Buggy stieg. »Sie sehen aus wie Geier nach einer Schlacht.«
»Weiß ich nicht. War nie in einer Schlacht, meine Liebe. Frag Martingale, der war in Spanien Adjutant von General Blazes.«
»Mr. Sedley war ein sehr freundlicher alter Herr«, sagte Rebekka, »es tut mir wirklich leid, daß ihm das passieren mußte.«
»Ach Gott, Börsenmakler ... bankrott ... sind daran gewöhnt, weißt du«, erwiderte Rawdon und vertrieb mit der Peitsche eine Fliege vom Ohr seines Pferdes.
»Schade, daß wir uns nicht etwas von dem Silbergeschirr leisten konnten, Rawdon«, fuhr seine Frau
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