Jahrmarkt der Eitelkeit
sehen, wo sie nun blieben.
John Sedley brachte es nicht übers Herz, die Dienstboten des Hauses, die dann und wann in unserer Geschichte aufgetreten sind, noch einmal zu sehen, nachdem er sie nun, durch Armut gezwungen, entlassen mußte. Der Lohn wurde diesen guten Leuten mit jener Pünktlichkeit ausgezahlt, die man häufig bei Leuten findet, welche große Summen schulden. Es tat ihnen sehr leid, gute Stellungen aufgeben zu müssen, aber es brach ihnen nicht das Herz, sich von ihren angebeteten Herrschaften zu trennen. Das Kammermädchen unserer Amelia war zwar verschwenderisch mit Beileidsbezeigungen, ging aber ganz gelassen davon, um sich in einem vornehmeren Stadtteil zu verbessern. Der schwarze Sambo beschloß mit der Verblendung seines Standes, ein Wirtshaus zu eröffnen. Nur die ehrliche Mrs. Blenkinsop, die Joes und Amelias Geburt sowie John Sedleys Werben um seine Frau erlebt hatte, wollte auch ohne Lohn bei ihnen bleiben, da sie in ihrem Dienst eine schöne Summe gespart hatte. Sie begleitete die gefallene Familie zu ihrem neuen und bescheidenen Zufluchtsort, wo sie sie eine Zeitlang brummend pflegte.
Unter allen Gegnern Sedleys bei den nun folgenden Verhandlungen mit seinen Gläubigern – Verhandlungen, die die Gefühle des gedemütigten alten Herrn so sehr quälten, daß er in sechs Wochen mehr alterte als während der verflossenen fünfzehn Jahre – schien der entschlossenste und hartnäckigste sein alter Freund und Nachbar John Osborne zu sein, John Osborne, dem er geholfen hatte, auf eigenen Füßen zu stehen, der ihm hundertmal zu Dank verpflichtet war und dessen Sohn Sedleys Tochter heiraten sollte. Schon einer dieser Gründe würde die Bitterkeit von Osbornes Gegnerschaft hinreichend erklären.
Wenn ein Mensch einem anderen, mit dem er später in Streit gerät, sehr verpflichtet ist, so macht ihn ein allgemeines Anstandsgefühl gleichsam zu einem weit schlimmeren Feind, als er einem bloßen Fremden gegenüber sein würde. Um in diesem Fall deine eigene Hartherzigkeit und Undankbarkeit zu erklären und zu rechtfertigen, mußt du das Verbrechen des anderen Teiles beweisen. Nicht du selbst bist selbstsüchtig, brutal und wütend beim Fehlschlagen einer Spekulation – – nein, nein, dein Partner hat dich durch niederträchtige Verräterei und in unehrlicher Absicht dazu verleitet. Ein bloßer Sinn für Konsequenz verpflichtet einen Ankläger, zu zeigen, daß der Gefallene ein Schurke ist – sonst ist er, der Ankläger, nämlich selbst ein Schuft.
Es ist eine allgemeine Regel, beruhigend für alle gestrengen Gläubiger, daß nämlich höchstwahrscheinlich kein Mensch, der sich in Verlegenheit befindet, vollkommen ehrlich ist. Er verhehlt immer etwas, übertreibt Glücksumstände, verheimlicht den wahren Stand der Dinge, sagt, bei ihm sei alles in Ordnung, wenn er gerade alle Hoffnung aufgegeben hat, trägt stets ein lächelndes Gesicht zur Schau (wahrhaftig, ein trauriges Lächeln!), während er am Rande des Bankrotts steht, möchte gern jeden Vorwand für einen Aufschub benutzen oder jede Art von Geld aufnehmen, um den unausbleiblichen Ruin noch einige Tage hinauszuschieben. »Nieder mit solcher Unehrlichkeit!« ruft der Gläubiger triumphierend und schmäht seinen sinkenden Feind noch. »Du Narr, warum klammerst du dich an einen Strohhalm?« fragt der kühle gesunde Menschenverstand den Ertrinkenden. »Du Schuft, warum scheust du dich, in der ›Gazette‹ zu erscheinen, wo du doch sowieso einmal hineinmußt?« schreit der Reichtum den armen Teufel an, der sich in diesem schwarzen Strudel abmüht. Wer hat nicht schon bemerkt, mit welchem Eifer sich die intimsten Freunde und die ehrlichsten Menschen verdächtigen und sich gegenseitig des Betruges beschuldigen, wenn sie sich wegen Geldsachen überwerfen. Alle tun es. Alle haben vermutlich recht, und die Welt ist ein Schurke.
Außerdem hatte Osborne noch das unerträgliche Bewußtsein, einst von Sedley Wohltaten empfangen zu haben. Das stachelte und ärgerte ihn, und so etwas vertieft die Feindschaft stets noch. Schließlich mußte er das Verhältnis zwischen Sedleys Tochter und seinem Sohn abbrechen. Und da die Sache schon sehr weit gediehen war und das Glück, ja vielleicht der gute Ruf des armen Mädchens auf dem Spiele standen, so mußten wirklich zwingende Gründe für den Bruch ins Feld geführt werden, und John Osborne hatte zu beweisen, daß John Sedley wirklich ein ganz schlechtes Subjekt sei.
Bei den Gläubigerversammlungen trat John
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