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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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Osborne daher mit einer solchen Wut und Verachtung gegen Sedley auf, daß es dem ruinierten alten Manne fast das Herz brach. Von Stund an verbot er George jeglichen Umgang mit Amelia und bedrohte den jungen Mann mit seinem Fluch, falls er seinem Befehl zuwiderhandelte, und sprach von dem armen, unschuldigen Mädchen geringschätzig als von einem gemeinen und gerissenen Weibstück. Eine Hauptvoraussetzung für Haß und Zorn ist, daß man über den Verhaßten Lügen verbreiten und sie auch glauben muß, um, wie gesagt, konsequent zu sein.
    Als der große Krach kam – die Verkündung des Ruins, der Auszug vom Russell Square und die Erklärung, daß zwischen ihr und George, zwischen ihr und der Liebe, dem Glück und dem Glauben an die Welt alles aus sei – ein brutaler Brief von John Osborne teilte ihr in wenigen Zeilen mit, daß das Verhalten ihres Vaters jede Verbindung zwischen den beiden Familien verbiete –, als die letzte Entscheidung kam, war sie nicht so erschüttert, wie ihre Eltern, oder vielmehr ihre Mutter, erwartet hatten, denn John Sedley selbst war völlig zerschmettert in den Trümmern seiner eigenen Angelegenheiten und seiner vernichteten Ehre. Amelia nahm die Nachricht bleich und ruhig auf. Es war ja nur die Bestätigung ihrer düsteren Ahnungen. Es war nur die Urteilsverkündung für das Verbrechen, dessen sie sich längst schuldig gemacht hatte, nämlich zu Unrecht, gegen alle Vernunft, leidenschaftlich zu lieben. Sie verriet jetzt ihre Gedanken ebensowenig wie früher. Jetzt, wo sie überzeugt war, daß alle Hoffnung geschwunden sei, schien sie kaum unglücklicher zu sein als früher, als sie fühlte, aber sich nicht einzugestehen wagte, daß alles vorbei sei.
    So zog sie ohne jede Äußerung aus dem großen Haus in das kleine, blieb meistens in ihrem Zimmerchen, härmte sich im stillen ab und welkte dahin. Ich will nicht sagen, alle Frauen seien so. Ich glaube nicht, daß Ihr Herz, meine liebe Miss Bullock, brechen würde! Sie sind ein vernünftiges junges Mädchen mit gesunden Grundsätzen. Ich will auch nicht sagen, daß meines brechen würde, es hat vieles erduldet und ist trotzdem am Leben geblieben. Aber es gibt solche Seelen, die so zart gebaut, so zerbrechlich, fein und empfindlich sind.
    Sooft der alte John Sedley an die Angelegenheit zwischen George und Amelia dachte oder darauf anspielte, geschah es mit einer Bitterkeit, die der Mr. Osbornes kaum nachstand. Er verfluchte Osborne und seine Familie als herzlos, schurkisch und undankbar. Er schwor, keine Macht auf Erden könne ihn bewegen, seine Tochter an den Sohn so eines Halunken zu verheiraten, und er befahl Emmy, sich George aus dem Sinn zu schlagen und alle Geschenke und Briefe zurückzugeben, die sie je von ihm empfangen hatte.
    Sie versprach, sich in ihr Schicksal zu fügen, und versuchte zu gehorchen. Sie packte die wenigen Schmucksachen zusammen und zog die Briefe aus ihrem Versteck und las sie noch einmal – als ob sie sie nicht schon auswendig gewußt hätte. Aber von ihnen konnte sie sich nicht trennen. Das war zuviel verlangt, sie steckte sie wieder in den Busen – so sieht man manchmal eine Frau ihr totes Kind herzen. Die junge Amelia fühlte, daß sie sterben oder den Verstand verlieren würde, wenn man ihr diesen letzten Trost entrisse. Wie sie jedesmal, wenn einer von diesen Briefen gekommen war, errötete und strahlte, wie schnell sie klopfenden Herzens wegtrippelte, um ihn ungestört lesen zu können! Waren sie kühl gehalten, so las sie diese liebevolle kleine Seele in Wärme um, waren sie kurz und egoistisch, fand sie immer wieder Entschuldigungen für den Schreiber!
    Über diesen wenigen wertlosen Papieren brütete und brütete sie nun. Sie lebte in der Vergangenheit – jeder Brief schien ihr ein Ereignis daraus zurückzurufen. Wie gut sie sich an alles erinnerte! Sein Blick und sein Ton, seine Kleidung, was er sagte und wie er es sagte – diese Reliquien und Erinnerungsstücke einer toten Neigung waren alles, was ihr auf der Welt verblieben war. Und ihre Lebensaufgabe war nun, den Leichnam der Liebe zu bewachen.
    Dem Tode sah sie mit unaussprechlichem Verlangen entgegen. Dann, dachte sie, werde ich stets bei ihm sein, werde ich ihm stets folgen. – Ich lobe ihr Betragen nicht, und ich will es Miss Bullock keineswegs als nachahmenswertes Beispiel hinstellen. Miss B. versteht besser, ihre Gefühle zu beherrschen, als dieses arme kleine Geschöpf. Miss B. hätte sich nie so kompromittiert wie die unvorsichtige

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