Jahrmarkt der Eitelkeit
bißchen verdammten Flitterkram. Hier, siehst du!« Da war ein Päckchen, in wohlbekannter Handschrift an Hauptmann George Osborne adressiert, und einige Gegenstände rundum verstreut – ein Ring, ein silbernes Messer, das er ihr als Knabe auf einem Jahrmarkt gekauft hatte, eine goldene Kette und ein Medaillon mit einer Haarlocke.
»Es ist alles aus«, sagte er mit einem Seufzer bitterer Reue. »Da, sieh, Will, du kannst es lesen, wenn du willst.«
Er deutete auf ein Briefchen, in dessen wenigen Zeilen folgendes stand:
Mein Papa hat mir befohlen, Ihnen diese Geschenke zurückzugeben, die ich in glücklichen Tagen von Ihnen erhalten habe. Dies soll mein letzter Brief an Sie sein. Ich glaube, ja ich weiß, Sie werden den Schlag, der uns getroffen hat, ebenso fühlen wie ich. Ich selbst entbinde Sie von einem Verlöbnis, das in unserem gegenwärtigen Elend nicht aufrechtzuerhalten ist. Ich bin überzeugt, daß Sie weder daran noch an Mr. Osbornes grausamen Verdächtigungen teilhaben, die uns in all unserem Kummer am schwersten bedrücken. Leben Sie wohl. Leben Sie wohl. Ich flehe zu Gott, mir die Kraft zu geben, das und weiteres Elend ertragen zu können, und Sie stets mit seinem Segen zu überhäufen.
A.
Ich werde oft auf dem Klavier – Ihrem Klavier – spielen. Es sah Ihnen so ähnlich, es mir zu schicken.
Dobbin war sehr weichherzig. Beim Anblick leidender Frauen und Kinder schmolz er stets dahin. Der Gedanke, daß Amelia gramverzehrt und einsam sei, zerriß seine gute Seele vor Pein. Er geriet in eine Gefühlsaufwallung, die jeder, der Lust hat, als unmännlich betrachten mag. Er schwor, Amelia sei ein Engel, wozu Osborne von ganzem Herzen zustimmte. Auch er hatte seine und Amelias Lebensgeschichte an sich vorbeiziehen lassen und sie, von ihrer Kindheit bis jetzt, so süß, so unschuldig, so bezaubernd einfach, liebevoll und zärtlich gesehen.
Welch ein Schmerz, dies alles nun verlieren zu müssen, es besessen und nicht gehörig geschätzt zu haben! Tausend liebliche Szenen und Erinnerungen drängten sich ihm auf, und stets sah er sie gut und schön vor sich. Er errötete vor Scham und Reue bei der Erinnerung an seine Selbstsucht und Gleichgültigkeit im Gegensatz zu ihrer vollkommenen Reinheit. Für eine Weile war Ruhm, Krieg und alles andere vergessen, und die beiden Freunde sprachen nur von ihr.
»Wo sind sie?« fragte Osborne nach einem langen Gespräch und einer langen Pause, und er war wirklich beschämt bei dem Gedanken, daß er keinerlei Schritte unternommen hatte, ihr zu folgen. »Wo sind sie? In dem Briefchen steht keine Adresse.«
Dobbin wußte es. Er hatte nicht nur das Klavier geschickt, sondern auch an Mrs. Sedley geschrieben und um Erlaubnis gebeten, sie besuchen zu dürfen, und er hatte sie und Amelia tags zuvor gesehen, ehe er wieder nach Chatham ging. Außerdem hatte er den Abschiedsbrief und das Päckchen überbracht, das sie beide so bewegt hatte.
Mrs. Sedley hatte den gutmütigen Burschen nur zu bereitwillig empfangen. Er fand sie sehr aufgeregt über das Eintreffen des Klaviers, das, wie sie vermutete, nur von George kommen konnte und ein Zeichen seiner Freundschaft war. Hauptmann Dobbin befreite die würdige Dame nicht von ihrem Irrtum und hörte sich mitfühlend ihre ganze Leidensgeschichte an, bedauerte ihre Verluste und Entbehrungen und tadelte, gleich ihr, Mr. Osbornes verwerfliches Verhalten gegenüber seinem ersten Wohltäter. Als sie ihr überströmendes Herz etwas erleichtert und einen großen Teil ihrer Sorgen vor ihm ausgeschüttet hatte, faßte er wirklich Mut, zu fragen, ob er Amelia sehen dürfte, die, wie gewöhnlich, oben in ihrem Zimmerchen war und zitternd von der Mutter herabgeführt wurde.
Sie sah so totenblaß aus und blickte so verzweifelt, daß der ehrliche William Dobbin bei ihrem Anblick erschrak und in dem bleichen, starren Gesicht die schlimmsten Vorzeichen las. Nachdem sie ein paar Minuten mit ihm gesessen hatte, drückte sie ihm das Päckchen in die Hand und bat:
»Bringen Sie das bitte Hauptmann Osborne und – und ich hoffe, es geht ihm gut – und es war sehr freundlich von Ihnen, uns zu besuchen – und unser neues Haus gefällt uns sehr. Und ich – ich glaube, ich werde wieder hinaufgehen, Mama, ich fühle mich etwas schwach.«
Damit ging das arme Kind knicksend und lächelnd davon. Als die Mutter Amelia hinaufführte, warf sie einen ängstlichen Blick auf Dobbin. Einer solchen Aufforderung bedurfte es bei dem guten Burschen nicht. Dafür
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