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Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Titel: Jahrmarkt der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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mit Miss Clary Adams, dem unvermeidlichen Vorspiel zu einer Audienz bei ihrer Chefin, geschwächt werden.
    Ein Blick genügte, um zu zeigen, daß sie von einer Intelligenz erfüllt war, die durch ihre weiblichen Instinkte noch geschärft und erhöht wurde. Dazu kam, daß sie die Sinne eines Mannes betörte, seinen Willen schwächte, sein Selbstvertrauen vernichtete und ihn aus dem Gleichgewicht brachte mit ihrer unterdrückten Sexualität, die in krassem Gegensatz zu den herausfordernden Augen und dem reifen Mund stand und von der kühlen Zitadelle eines Körpers bewacht wurde, der — förmlich und unnahbar, wie sie sich gab — seine Unverletzbarkeit verkündete. Sears war sich bewußt, daß er sie aus tiefstem Herzen verabscheute.
    Dennoch erholte er sich allmählich von der schockierenden Erkenntnis, daß sie ihn mit einem einzigen Blick all seiner sorgfältig vorbereiteten Scheingründe entkleidet habe. Um Zeit zu gewinnen und zu entscheiden, welche Art des Angriffs sich als besonders wirksam erweisen werde, sagte er: «Guten Tag, Miss Adams, erlauben Sie, daß ich Platz nehme?»
    «Ja, bitte», erwiderte Miss Adams mit einer angenehmen, höflichen und unpersönlichen Stimme.
    Für Clary Adams, die in der Autorität ihrer Stellung sicher und bequem hinter dem imponierenden Diplomatenschreibtisch mit seiner Glasplatte verbarrikadiert saß, war das Gespräch bereits so gut wie beendet, und in Gedanken nahm sie die Arbeit schon wieder auf, in der sie von diesem Besucher unterbrochen worden war; sie hegte nicht den leisesten Zweifel an seiner Unaufrichtigkeit.
    Er würde seinen «Vorschlag» hervorstammeln oder flüssig und wortreich vortragen, je nachdem welcher Typ von Geschäftsreisendem er war — seine Geschichte von Goldgruben oder Ölquellen, seine Verrücktheit, eine Erfindung, die die Welt retten sollte, oder irgendeinen noch kümmerlicheren Vorschlag; ein paar Minuten später würde er wieder auf dem Weg hinaus sein.
    Sears setzte sich in den Sessel neben dem Schreibtisch, auf den sie zeigte, bat um die Erlaubnis zu rauchen und steckte sich, als er sie erhalten hatte, mit sorgsamer und bewußter Anmut eine Zigarette an, dankbar für die Gelegenheit, sich zu sammeln. «Ich muß gestehen», sagte er, «daß Sie mich völlig überrascht und verwirrt haben. Ich erwartete einen völlig andern Menschen.»
    Es war ein sehr massiver Zug, doch ein Gambit, wie es bei einer Frau von solcher Anziehung wohl nicht sicherer möglich war. Er mußte herausfinden, woran er mit ihr war. An ihrem Ausdruck, so zurückhaltend er auch war, sah Sears indessen sofort, daß er einen Fehler gemacht hatte. Wahrscheinlich spielte der größte Teil der Besucher auf ihre Schönheit an. Das paßte ihr nicht. Wenn sie Schwächen hatte — diese gehörte bestimmt nicht dazu.
    Clary sagte: «Verschonen Sie mich, Mr. Sears.» Wie immer belustigte sie die Wirkung ihrer Persönlichkeit auf Männer, die sie zum erstenmal sahen, doch in diesem Fall mischte sich erheblicher Ärger über die Arroganz dieses männlichen Wesens in ihre Belustigung.
    Sie hatte auch etwas gegen die glatte Korrektheit seines Äußeren: die Eleganz seiner Kleidung, die einfach zu einwandfrei und angemessen war, das tadellos geschnittene Haar und das gutrasierte Gesicht, die fast herausfordernde Sauberkeit — das alles könnte durchaus als Mantel und Verkleidung für einen Schuft dienen. In diesen ersten Augenblicken ihrer Begegnung sagte ihr der Instinkt, daß er wie ein Schauspieler aussah, der einen Gentleman spielte — selber eben genug Gentleman, um zu wissen, wie man ihn verkörpert.
    «Das Kompliment war aufrichtig gemeint», sagte Sears. «Ich wollte nicht dreist sein. Ich muß mich auch für die ganze scheinbare Verwirrung entschuldigen. Ich hatte den Eindruck, eine Verabredung mit Ihnen getroffen zu haben:»
    Miss Adams sagte gelassen: «Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Mr. Sears. Darf ich Sie, da Sie nun einmal hier sind, bitten, mir zu sagen, weshalb Sie gekommen sind?»
    Sears dachte rasch — wie sollte er es nennen: Idee, Plan, Entwurf, Vorschlag? Ich möchte Miss Bascombe gern einen Plan vorlegen — ich habe da einen kleinen Vorschlag, der, wie ich annehme, Miss Bascombe interessieren wird. Innerlich schauderte es ihn. Das Wort «Vorschlag» diesem Mädchen gegenüber zu benutzen, das ihn so kühl abschätzte, war undenkbar. Sie war ganz offensichtlich vertraut mit den Methoden, die er benutzt hatte, um zu ihr zu gelangen. Aber warum hörte

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