Jahrmarkt der Unsterblichkeit
liegt für jeden, der lesen kann, offen da, aber Sie sind erst der zweite, der sie meines Wissens formuliert hat. Der andere war Professor Liam O’Muir von der Universität Dublin — vor fünfzehn Jahren. Er wollte damals nach Palästina, Syrien und Mesopotamien reisen, um sie nachzuprüfen; doch dann wurde er krank und starb. Er hätte sich außerordentlich für das Wadi Beit Jebel und den Berg Hermon interessiert.»
Sears schwindelte es einen Augenblick, doch dann hätte er am liebsten schallend losgelacht. Was, zum Teufel, ging hier eigentlich vor? Wer hielt wen zum Narren? Mit wem wurde dieser ungeheure Witz gemacht? Mit Hannah Bascombe? Mit Joe Sears? Oder konnte es sein, daß er, als er sich seinen Betrug ausdachte, um aus dem Leben in billigen Nachtquartieren, Kneipen und mit der ständigen Antwort herauszukommen, tatsächlich auf eine wissenschaftliche Wahrheit gestoßen sein sollte? Hatte Joe Sears, Treibgut aus Hollywood, Hansdampf in allen Gassen, doch in keinem Beruf richtig zu Hause, Angeber und Verdreher, sich da ein Geheimnis ausgedacht, das lediglich zwei Professoren bekannt war? Und Hannah würde es finden, mit ihrem Gold kaufen, das Zeug schlucken, immer weiterleben, raffen und jahrhundertelang erwerben, genau wie Joe Sears es für sie zusammengeschwindelt hatte. Dann war er ja ein Genie, ein...
Er überprüfte seine Gedanken und mahnte sich zur Vorsicht: Ruhig, Joe, sei jetzt kein Dummkopf. Jeder Schwindel beginnt mit einer Schmeichelei. Dieser Kerl ist zu glatt. Es mag ja wahr sein, aber er hat irgendeinen Plan, dich vor dem Zahltag hinauszumanövrieren.
«Sie täuschten sich nur über den Ort, wo Sie suchen wollten», fuhr Dr. Levi fort. «Naphtali konnte es nicht sein. Geologisch gesprochen, natürlich. Ich fürchte, in dieser Hinsicht hat Ben-Isaak Sie in die Irre geführt. Er ist groß in Romantik wie alle Jungen, aber an Tatsachenwissen fehlt es ihm. Doch er ist wahrheitsliebend, er hat mir alles erzählt.» Und hier heftete er seine erstaunlich blauen Augen mit einem langen, festen und völlig unerklärlichen Blick auf Sears, während er abermals einen Schluck von seinem Martini trank. Dann lächelte er und sagte: «Sie wollten mir Ihre Ansicht über mich mitteilen.»
Sears’ Gedanken waren getrübt, und er wünschte, er hätte den zweiten Whisky nicht getrunken. Der Alte wurde von Alkohol anscheinend überhaupt nicht beeinflußt. Aber er fürchtete eben doch etwas, das wußte er, wenn er auch nicht hätte sagen können, warum. Irgend etwas war an diesem beherrschten, kenntnisreichen Mann, was ihn nervös machte.
Wer war er? Was war er? Ben-Isaak hatte gesagt, er sei wegen seiner Gelehrsamkeit berühmt gewesen. Warum aber hatte er dann alles aufgegeben und war nach Israel zurückgekehrt, um ein paar Bohnen, Erbsen und Karotten zu ziehen? Was war das Geheimnis der Eindringlichkeit und Ruhe, die ihn umgaben und Joes Nerven zum Zerreißen anspannten? Sears hatte gefürchtet, Dr. Nathanael Levi sei ein Betrüger, Schwindler und Gauner, er sei überhaupt nicht Ben-Isaaks Onkel, sondern irgendein Schwindler hier aus der Gegend, den der Junge aus Rache für das, was in San Francisco geschehen war, eingeweiht hatte. Doch nun fürchtete er noch weit mehr, daß Dr. Levi wirklich der war, der zu sein er behauptete.
Heiser sagte er: «Lassen wir das jetzt. Es hat Zeit. Wie lange müssen wir noch hier herumhängen? Ich kenne Hannah Bascombe. Sie ist gewohnt, daß alles nach ihrem Kopf geht. Sie wird allmählich schwierig.»
Ein Page trat an den Tisch, fragte «Dr. Levi?» und überreichte ihm ein Telegramm.
Dr. Levi öffnete es, las es, und über sein Gesicht verbreitete sich ein Ausdruck der Befriedigung. Er steckte das Blatt in die Tasche und sagte: «Wir können jetzt nach Norden aufbrechen; die Vorbereitungen sind eingeleitet. Ich glaube, das wird
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