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Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Titel: Jahrmarkt der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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der anerkennend ein Glas goldenen Martini gegen das Licht hielt und mit sichtlichem Genuß davon trank, ehe er bemerkte: «Ganz ausgezeichnet. Ich habe viele Jahre keinen mehr getrunken — tatsächlich nicht mehr, seit ich in Israel bin. Ich komme kaum einmal von meinem Gemüse weg. Das ist ein Fest, wissen Sie.» Er nahm das angenehme, gepflegte Bild tief in sich auf.
    Aus dem Hotelinnern kamen die Klänge eines vierköpfigen Orchesters, das vertraute, leichte Musik aus Europa spielte. Die Luft war kühl und klar von der Brise, die kurz vor Sonnenuntergang einsetzte. Von den Nachbartischen tönte rund um sie her ein Sprachgewirr: Englisch, Französisch, Ungarisch, Spanisch, Deutsch, Arabisch, Russisch und Polnisch. Dr. Levi hörte lächelnd eine Weile zu, dann schüttelte er das auffallende Haupt und machte eine weite Gebärde des Stolzes und des Entzückens.
    «Ist es nicht erstaunlich?» sagte er. «Und alles Juden!»
    Joe Sears erwiderte: «Hm», dann fuhr er ohne jede Veränderung in Ton oder Gesichtsausdruck fort: «Wissen Sie, Dr. Levi, ich überlegte gerade, ob Sie mich nicht jetzt in Ihr Spiel einweihen sollten.»
    Dr. Levi reagierte anders, als Sears erwartet hatte. Er schien weder unwillig über die Unverschämtheit der Bemerkung zu sein noch so zu tun, als ob es sich um ein Mißverständnis handeln müsse. Er nahm einen weiteren Schluck von seinem Martini, stellte das Glas vor sich hin und sagte: «Spiel ist gewiß nicht das Wort, das Sie benutzen wollten...»
    «Spiel, Trick, Schwindel — nennen Sie es, wie Sie wollen. Ich will wissen, worauf Sie aus sind und was Sie Vorhaben. Ist es eine vernünftige Sache, können wir wahrscheinlich zu einer Verständigung kommen. Ich kann Ihnen helfen und Sie mir, aber ich will wissen, woran ich bin.»
    Dr. Levi nickte. Er sagte: «Ich begreife Ihre Besorgnis durchaus. Wo soll ich anfangen?»
    Sears erwiderte sofort: «Mit Ihnen selber zum Beispiel. Was hat dieser Witz mit dem Bauer-Spielen zu bedeuten? Dr. Nathanael Levi, Gemüsegärtner. Wen wollen Sie da zum Narren halten und warum? Ben-Isaak hat mir erzählt, daß sein früherer Onkel Rabbi, Archäologe und Universitätsprofessor war, der an vielen Universitäten in ganz Europa promoviert hatte.»
    Levi nickte bedauernd und sagte: «Es stimmt, daß ich viele Examina gemacht habe — leider ist die Landwirtschaft nicht darunter, und auf sie bin ich im Augenblick am meisten angewiesen.»
    «Weshalb verstecken Sie sich dort oben im Norden, wenn Sie tatsächlich der Mann sind, der zu sein Ben-Isaak von Ihnen behauptet? Warum haben Sie keinen Lehrstuhl an der Universität in Tel Aviv oder lehren am Institut?»
    Dr. Levi betrachtete Sears gelassen. «Junger Mann, wenn Sie länger hier sind, werden Sie erkennen — wie ich es auch erkannt habe — daß das, was Israel am dringendsten braucht, nicht Philosophie ist, sondern Nahrung. Deshalb tue ich das, was mir am notwendigsten erscheint. Aber wenn es Sie beruhigt, will ich Ihnen , sobald wir nach Metulla kommen, meine Diplome zeigen. Und was beunruhigt Sie sonst noch?»
    Sears hatte das Gefühl, ausgelacht zu werden. Dr. Levi war kein Narr; er verstand es, sich herauszureden, und war vermutlich ein größerer Schwindler als er selber.
    Er erwiderte: «Vieles! Wohin wollen Sie Hannah — Miss Bascombe — führen?»
    «Nach Beit Jebel, dem Dorf der Patriarchen.»
    «Wo ist das?»
    «Jenseits der syrischen Grenze an den Hängen des Berges Hermon.» Er sah Sears lange, halb belustigt, über das Martiniglas an und sagte dann: «Wissen Sie, die Legende berichtet nämlich, daß zwei Gebirge nicht von der Sintflut bedeckt worden seien. Das eine war der Ararat. Das andere soll der Berg Hermon gewesen sein.»
    «Ist es gefährlich, die Grenze zu überschreiten?»
    «Das sagte ich Ihnen bereits. Es könnte sein.»
    «Warum fahren wir dann nicht vom Innern Syriens aus hin?»
    Dr. Levi nickte. «Sehr vernünftig. Aber Sie vergessen, daß wir uns technisch noch immer im Krieg mit Syrien befinden — und mit den Arabern und den Ägyptern. Ich würde keine Erlaubnis erhalten, nach Syrien einzureisen.»
    «Warum fahren wir dann nicht allein, ohne Sie? Sie könnten uns Ihre Ratschläge mitgeben.»
    «Weniger vernünftig», erwiderte Dr. Levi kurz. Darauf fragte er: «Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich noch einen Martini trinke? Es ist ein so seltenes Pest für mich. Vielleicht darf ich Ihnen noch einen Whisky bestellen...» Er winkte dem Kellner und redete munter mit ihm Hebräisch,

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