Jahrmarkt der Unsterblichkeit
eine Sprache, die er mit großem Vergnügen benutzte, so als ob ihm jede Silbe Spaß mache. «Sehr viel weniger vernünftig», begann er darauf wieder. «Wie würden Sie das Dorf finden, da Sie das Land nicht kennen; wie wollen Sie Ihr Ziel verheimlichen, wenn Sie Führer engagieren? Wie würden Sie die Araber davon abhalten, Ihnen die Kehle durchzuschneiden oder Sie wegen eines Lösegelds gefangenzuhalten, falls sie Lust dazu verspüren sollten? Und wenn Sie schließlich aus Zufall in das Dorf gelangen sollten, in welcher Sprache würden Sie sich mit den Bewohnern unterhalten?»
Sears sagte ärgerlich: «Sie haben wirklich an alles gedacht.»
Dr. Levi nickte zustimmend und erwiderte einfach: «An alles.»
«Und was gibt es in diesem Dorf?»
«Ein paar kleine Hütten und wenige steinerne Häuser, einige Wohnhöhlen und eine Anzahl sehr alter Männer und Frauen, dazu mehrere Älteste. Sie sind Mitglieder einer Sekte, die überzeugt ist, das Geheimnis der Langlebigkeit von den alten Patriarchen bewahrt zu haben.»
Sears dachte bei sich selbst: O du glatter, gerissener Heuchler! Diese Frechheit, mir meine Geschichte zu stehlen! Laut fragte er: «Und trifft das zu?»
«Ich weiß es nicht.»
«Und was ist das für eine Substanz?»
«Irgendein Pilz. Ich glaube, sie ziehen ihn in den Höhlen.»
«Sind Sie schon einmal dort gewesen?»
«Ja.»
«Und weshalb?»
Der Kellner kam mit den Getränken. Dr. Levi zog ein ledernes Portemonnaie aus der Tasche und zahlte. Er sagte: «Ah», und: «Auf Ihr Wohl, Mr. Sears!» Damit hob er das Glas und trank. Dann beantwortete er die Frage: «Sie vergessen, daß ich früher Wissenschaftler war. Ich war neugierig.» Er zog ein fast schalkhaftes Gesicht. Darauf fuhr er fort: «Außerdem wollte ich die Bekanntschaft eines Mannes namens Barzillai machen.»
Trotz der Entschlossenheit, sich zu beherrschen, entfuhr Sears ein Ausruf. «Barzillai! Wollen Sie damit sagen, daß es wirklich einen Barzillai gibt?»
Dr. Levi zeigte keine Überraschung über Sears’ Erstaunen und richtete einen verständnislosen Blick auf ihn. «Das ist kein ungewöhnlicher Name, schon gar nicht in unserer Familie. Aus diesem Grund mache ich mir jedesmal, wenn ich von einem Mann dieses Namens höre, die Mühe, ihn aufzusuchen.»
Zum erstenmal fühlte sich Sears heftig erschüttert. Er wußte nicht mehr, ob es Ben-Isaak oder er selbst gewesen war, der sich diesen Namen ausgedacht hatte. Er fragte: «Wie alt war dieser Barzillai?»
«Ich habe keine Ahnung», erwiderte Dr. Levi. «Es stellte sich heraus, daß er zu den Ältesten gehörte. Er war sehr unwissend. Doch besaß er ein erstaunliches Gedächtnis für Dinge, die vor langer Zeit geschehen waren.»
Sears spürte abermals, wie ihn der Ärger würgte. Wofür hielt dieser große alte Schwindler ihn eigentlich? Es war ganz offensichtlich, daß Ben-Isaak und er diese Geschichte miteinander ausgeheckt hatten — das vergessene Dorf am Berghang, der Ort, der nur einem einzigen Mann bekannt war, die mysteriöse Substanz, die eifersüchtigen Priester, das sorgsam gehütete Geheimnis. Als nächstes würde er gewiß eine verblichene, vor Alter brüchige Karte herausziehen, auf der ein Totenschädel den versteckten Zugang zum Paß bezeichnete.
Dr. Levi griff in die Tasche. «Ich habe hier eine Karte, die die allgemeine Lage und den Zugang zum Wadi Beit Jebel zeigt; diesen Weg benutzte ich vor zehn Jahren, als ich dort war.»
Es war zwar kein Totenschädel darauf, doch sonst erfüllte die Karte völlig ihren Zweck, und Sears verzog den Mund. Genauso hatte er es sich vorgestellt. Es war klar, daß Ben-Isaak zu diesem alten Mann gegangen war und ihm die ganze Geschichte erzählt hatte; mit seiner persönlichen Macht über Hannah und mit Dr. Levis Ansehen wollten sie ihm, Joe Sears, die Milliardärin vor der Nase wegschnappen.
Er trank von seinem Whisky und hielt das Glas dabei so fest, daß die Knöchel sich weiß auf der Haut abzeichneten.
«Dr. Levi», sagte er, «Sie sind mir wirklich der rechte! Bei Gott, Sie und Ihr Neffe sind das richtige Gespann, das muß ich wirklich zugeben. Wollen Sie vielleicht wissen, was ich von Ihnen halte?»
«Nachher», erwiderte Dr. Levi leutselig. «Nachher würde ich es tatsächlich gern hören. Aber zuerst würde ich Ihnen gern eine Frage stellen.»
Sears entgegnete: «Schießen Sie los!»
«Wie sind Sie eigentlich auf Ihre Hypothese über die Langlebigkeit der Patriarchen gestoßen? Sie ist nämlich sehr gescheit. Sie
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