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Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Titel: Jahrmarkt der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Aber was auch geschieht, bleiben Sie flach liegen!»
    Schroff rief sie zurück: «Sie brauchen mich nicht zu lehren, wie ich mich zu schützen habe, junger Mann. Wo ist Clary?»
    «Hier bei mir.»
    «Kümmern Sie sich um sie.» Sie rief: «Doktor Levi?»
    Er erwiderte: «Ich bin hier, Miss Bascombe.»
    «Werden unsere Männer mit diesem Zwischenfall fertig?»
    «Davon bin ich fest überzeugt.»
    «Sehr gut. Dann sorgen Sie dafür, daß Sie den Kopf unten behalten.»
    Sears wünschte, er wäre ebenso überzeugt. Er dachte bei sich: Einstweilen ahnt sie nicht, wie sehr wir in der Klemme sitzen.
    Unmittelbar über ihnen erklang ein entsetzlicher kehliger Schrei. Ein Schauer von Steinen und kleinen Felsbrocken stürzte vor einer Gestalt herab, die etwas Weißes Um den Kopf trug.
    Sears fluchte und verwünschte sich selbst, weil er nicht einmal eine Pistole mitgenommen hatte, um sich und die Frauen zu verteidigen. Nun war’s zu spät. Während die beiden Flügel in Kämpfe verwickelt waren, würden die Angreifer an den Hängen der Schlucht herunterkommen und sie überwältigen. Er griff schon nach seinem Taschentuch. Vielleicht konnte man sich noch retten, wenn man sich ergab.
    Doch der erwartete Angriff erfolgte nicht. Statt dessen kam eine einzelne Gestalt, barfuß, in einem Paar zerfetzten, formlosen langen Hosen, einer Jacke aus irgendwelchem dunklen Stoff, einer schmutzigweißen arabischen Khabiya auf dem Kopf, fallend und rollend den Steilhang herunter. Der Sturz der grotesken Gestalt wurde von einer jungen Eiche etwa zwanzig Meter über dem Boden der Schlucht aufgehalten.
    Dort blieb der junge Araber eine Weile schweigend auf dem Rücken liegen, starrte zum Himmel hinauf, während sich seine Hände in den Bauch krampften. Dann begann er zu stöhnen, die Stimme reichte vom Wimmern eines Kindes bis zum Röcheln eines Mannes im Todeskampf.
    Clary rief: «Wie entsetzlich! Was ist mit ihm geschehen?»
    Sears sagte: «Es ist einer von den andern. Ben-Isaak muß ihn getroffen haben, als er durch die Schlucht schoß. Er muß in einem Baum gesessen oder sich an einem Felsen festgeklammert haben. Als er sich nicht mehr halten konnte, kam er herunter.»
    Eine Weile herrschte Schweigen, nur von dem schrecklichen Schreien des Verwundeten unterbrochen.
    Clary sagte: «Ich kann es nicht ertragen. Es ist entsetzlich!» Sie hob den Kopf. «Das ist ja noch ein Junge.»
    Sears erwiderte heftig: «Bleib liegen!» und riß sie zurück. «Er hat es nicht anders gewollt. Ein Junge kann dich mit einem Gewehr ebenso totschießen wie ein Mann. Wir liegen hier im Kreuzfeuer.»
    Doch auch er sah, wie jung der Verwundete war, kaum älter als sechzehn, mit einem braunen, ovalen Gesicht, schönen dunklen Augen und weißen, gleichmäßigen Zähnen. An dem Blut, das über die in den Leib gekrampften Hände lief, sah Sears, daß er einen Bauchschuß bekommen hatte und sich wohl verbluten werde.
    Das Feuer von beiden Seiten der Schlucht hielt an. Ein Geschoß traf den Felsblock über Joes Kopf, wurde flach und fiel herunter; ein anderes schlug in einen nahen Baumstamm und klatschte laut; andere hörte man abprallen und pfeifend oder winselnd weiterfliegen.
    Das Stöhnen des Jungen war zu einem schrecklichen monotonen Laut geworden, der von Augenblick zu Augenblick unerträglicher wurde. Eines Nachts in den Ardennen hatte Sears einen der eigenen Kameraden so schreien hören, ohne daß einer ihm zu Hilfe kommen konnte, weil sie unter Beschuß lagen.
    Plötzlich fragte Hannahs Stimme: «Geht nun jemand zu diesem Kind, oder muß ich es tun?»
    Er hörte ein Geräusch hinter sich und sah, als er sich umdrehte, Clary, die sich den Steilhang zu dem verwundeten Araber hinaufzuarbeiten begann.
    Er brüllte: «Clary! Komm sofort hierher zurück, du gottverdammte Närrin. Hier ist Krieg. Du bist in der Schußlinie — Clary!»
    Er rannte ihr hügelauf stolpernd nach; jeder Schritt des Weges erfüllte ihn mit Entsetzen, und er bückte sich tief, um ein kleineres Ziel zu bieten. Während er den Kopf einzog, empfand er die gleichen krampfhaften Anfälle von feiger Angst wie im Krieg; innerlich wütete er über die Dummheit des Mädchens und hatte gleichzeitig ein Grauen hinzusehen, weil er fürchtete, sie jeden Augenblick grotesk hochspringen oder stolpern und stürzen zu sehen, während sich ein Blutfleck über ihr Kleid ausbreitete oder aus ihrem Kopf sickerte.
    Während er ihr nachkletterte, sagte er dauernd: «Nein, nein, nein», oder rief: «Clary, komm

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