Jakob der Reiche (German Edition)
aber in diesen Tagen gerade wieder in den Alpen auf. Die letzte größere Einzahlung über hunderttausend Gulden lag erst ein Jahr zurück. Er hätte ihn eigentlich über den Stand seiner Zinsen für all seine Einlagen in die Fuggersche Bank unterrichten müssen.
Nach der erneuten Auseinandersetzung mit seinen älteren Brüdern wäre es klug gewesen, gerade mit Meckau zu sprechen. Er war es, der auch in Rom noch äußerst wichtig für ihn werden konnte. Trotzdem hatte sich Jakob anders entschieden.
Längst lag auch Trient hinter ihm. Es wurde Abend, ehe er in Bassano ankam und über die überdachte Holzbrücke ritt. Die Brenta führte in diesem Herbst kaum noch Wasser. Zum zweiten Mal übernachtete Jakob in der hundert Jahre alten Herberge Belvedere.
Obwohl er es eilig hatte, bog er am nächsten Morgen nach Asolo ab. Es war noch zu früh, um dort seine Aufwartung zu machen. Er ritt an der äußeren Mauer des Parks am Burgberg entlang. Bis auf ein paar Bauern mit Getreidekarren und Milchkannen war Asolo noch nicht erwacht. Es würde Stunden dauern, bis sich jemand vom engeren Gefolge der Königin im kühlen Park der Burg zeigte. Jakob Fugger spürte die Wärme der Morgensonne auf seinen Wangen und kam sich plötzlich kindisch vor.
»Was, bei allen Heiligen, willst du hier, stolzer Kaufherr Jacopo aus Augsburg?«, fragte er sich halblaut. Sein Pferd spitzte die Ohren. »Du bist fünfundvierzig Jahre alt, verheiratet und spähst wie ein sehnsüchtiger Jüngling in den Garten einer Fünfzigjährigen! Noch dazu in den einer Königin und Tochter der Republik von San Marco …«
Er wollte gerade weiterreiten, als er sie sah. Sie kam im einfachen braunen Gewand einer Franziskanernonne mit erdfarbenen Tüchern um den Kopf über die Stufen am Aufgang zur Burg. Ihre beiden Begleiterinnen waren viel bunter gekleidet. Für einen Augenblick wusste Jakob Fugger nicht, wie er sich verhalten sollte. Unzählige Gedanken schossen ihm durch den Kopf.
Warum kam sie? Wo wollte sie hin? Und wie war zu erklären, dass sie sich zu einer derart frühen, kühlen Stunde aus den Burgräumen hinausbewegte?
Sie blieb kaum fünf Schritt von ihm entfernt stehen, dicht hinter einem verblühten Rosenstock. Zwischen ihnen befand sich nur noch ein ungepflegtes Beet und ein halbhoher Ausläufer der Parkummauerung.
Für eine Ewigkeit sahen sie sich in die Augen.
»Es geht mir gut, Bruder Jacopo«, sagte sie dann. »Und ich denke immer noch nicht an Rache am Dogen Loredan und an der Serenissima, falls du mich das fragen wolltest!«
Sie lächelte, als sie sich wieder umdrehte und denselben Weg in die Burg von Asolo zurückging.
Er hatte keinen Blick mehr für die lieblichen Voralpenhügel oder die Landgüter der reichen Venezianer, die hier ihre Villen bauten.
»Caterina! Caterina!«, pochte es in ihm. Wieder und wieder wollte er die Zügel herumreißen, einfach umkehren. Aber er konnte es nicht.
Das letzte Stück ritt er am Ufer des Po auf einem Damm entlang. Er hatte keinen Blick für die fruchtbare Ebene zu beiden Seiten mit ihren Getreidefeldern und den verstreut stehenden Pappeln, Kiefern und Zypressen.
Je weiter er sich der Lagunenstadt näherte, umso dichter wurde der Verkehr von Nachen und Barken auf dem Fluss und auf dem Kanal, der von hier aus direkt bis zum fünf Meilen entfernten Venedig führte. Anders als die übrigen Reisenden, die ebenfalls den Weg auf dem Damm benutzten, hielt Jakob nicht an, sondern ritt weiter in die einbrechende Dunkelheit. Er hielt genau auf den Lichtschein im Osten zu, der ihm wie ein hilfreicher Wegweiser erschien. Die Nacht war sternenklar, und der Himmel erschien nicht schwarz, sondern in einem in Augsburg noch nie beobachteten, sehr tiefen, samtigen Blau.
Jakob genoss den milden Abendwind von der See her. Er wusste, dass es in manchen Jahreszeiten auch in der Adria kräftig stürmen konnte, wenn der Yugo-Wind die Wasser nach Norden hin aufstaute, und dann sogar der Marcusplatz kniehoch überflutet wurde.
Das Leuchten über der Lagunenstadt wurde immer heller. Er kannte den gelblich roten Schein, der besonders zu Messezeiten wie eine Glocke über den abendlichen Städten lag. Doch dann kam ihm der Lichtschein über Venedig in der Mitte zu leuchtend und an den Seiten allzu rötlich und rauchig vor. Ohne lange zu überlegen, trieb er sein Pferd zu einer schnelleren Gangart an. Und dann begriff er plötzlich, dass die Lichtglocke über der Lagunenstadt nicht von vielen kleinen Feuern, von Fackeln auf
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