Jakob der Reiche (German Edition)
Selbst mit Wasser übergossen, schwelten die Glutnester in Tausenden von Baumwollballen weiter. Sie mussten einzeln mit langen Enterhaken auseinandergerissen und gelöscht werden. In anderen Lagerräumen glühten unzählige Säcke mit Nüssen und Kastanien, Zuckerkegel von den Plantagen der Insel Zypern schmolzen und karamellisierten zu einer stechend stinkenden braunen Masse mit schwarzer Kruste.
Das Feuer vernichtete ohne Unterschied riesige Werte und ganze Existenzen. Es war unmöglich, all die Waren aus den Klauen des Feuers zu reißen. Das deutsche Haus verkam zu einer Niederlassung der Hölle.
Es dauerte sechs Tage, bis der Doge der Lagunenstadt und Jakob Fugger endlich ungestört im Palast am Marcusplatz miteinander reden konnten. Noch immer glühten große Feuernester in der bröckelnden Ruine des Fondaco dei Tedeschi. Weißer und schwarzer, gelber und sogar blauer Rauch stieg unablässig in den Himmel über Venedig. Es war, als hätte sich ein neuer Ätna gebildet.
Leonardo Loredan und der Kaufmann aus Augsburg sahen einander so ähnlich, dass Künstler wie Bellini sie als Zwillinge porträtiert haben könnten. Beide hatten im Lauf der Jahre straffe, schon fast hagere Gesichter entwickelt, einen klaren Blick und eher schmale Lippen. Jakob war barhäuptig, und der Doge trug den Cornu, eine weiche, goldbestickte Kappe mit einer fingerlangen Spitze im hinteren Teil. Seit ihrer ersten Begegnung im Palazzo der Cornaros vor einem Vierteljahrhundert vermutete Jakob Fugger, dass Loredan zum Geheimdienst der Serenissima oder sogar zum Rat der Zehn gehörte. Niemand in der Lagunenstadt sprach darüber, aber er hatte sich nicht in Venedig aufgehalten, als Caterinas Mann und Sohn in Zypern heimtückisch vergiftet worden waren. Jahre später war er in Nikosia gesehen worden, nachdem der Anschlag auf die Königin fehlgeschlagen war. Und doch schien es jetzt für einige Augenblicke, als sei Jakob der Doge und Leonardo Loredan ein Gast und Bittsteller in der Stadt.
»Lasst uns sofort zur Sache kommen«, begann der Doge, nachdem er sich mit Jakob Fugger aus dem Audienzsaal in einen kleinen, nur mit wenigen vergoldeten Möbeln ausgestatteten Raum seiner privaten Gemächer zurückgezogen hatte. »Wir sind nicht blind und taub in dieser Stadt, und Ihr seid ein kluger, erfolgreicher und stets willkommener Freund, Jakob Fugger. Ich möchte, dass Ihr mit einer großen und wichtigen Niederlassung am Canal Grande bleibt. Und ich biete Euch an, dass die Republik sämtliche Kosten für den Wiederaufbau des Fondaco übernimmt.«
»Das klingt, mit Verlaub, sehr ungewöhnlich für die stolze Serenissima«, gab Jakob vorsichtig zurück. Sie nahmen auf den vergoldeten Stühlen Platz, streckten fast gleichzeitig die Beine aus und blickten sich prüfend an.
»Es waren nicht die Franzosen«, sagte Leonardo Loredan. »Auch nicht die Türken, denen wir unsere Häfen in Griechenland übergeben mussten. Und keine Zyprioten, wie ich selbst zuerst dachte – keiner von den Männern, die uns nie verziehen haben, dass wir ihnen ihren König umbringen und ihre Königin gefangen nehmen mussten, um die Insel als vorgeschobenes Bollwerk gegen die Türken in die Hand zu bekommen.«
»Was bleibt dann noch?«, fragte Jakob verwundert. »Mailand? Ferrara und der Papst? Die Medici in Florenz?«
»Die Brandstiftung erfolgte mit Billigung Eures Königs Maximilian. Begangen wurde sie von Männern aus Tirol und Augsburgern, denen Ihr zu mächtig wurdet und deren Namen ich Euch wohl nicht nennen muss.«
Jakob schob die Unterlippe vor. Er dachte an die Welser, Gossembrots und Herwarths, dann an seine Brüder und den Buhlen seines Eheweibs. Dann schüttelte er langsam den Kopf.
»Warum?«, fragte er. »Ich war nur einer im großen Fondaco, aber verloren haben alle!«
»Wir ebenfalls«, sagte der Doge. »Denn vieles, was bei Euch gelagert wurde, war noch nicht überschrieben und bezahlt.«
»Das bringt uns zu der Frage, wie meine und auch Eure Zukunft aussieht«, sagte Jakob freimütig. »Ihr sagt, Venedig wolle das Handelshaus für uns Deutsche wieder aufbauen. Ich aber glaube, die große Zeit der Serenissima ist längst vorbei. Es werden weiter Schiffe in die Häfen einlaufen, und es wird vielerlei Geschäfte und Handel geben. Aber ein Hafen, der von den Franzosen überwacht und zugleich von türkischen Galeeren bedroht wird, kann kein guter Platz für den Handel sein. Außerdem haben die königlichen Räte in Innsbruck wohl nichts dagegen, wenn die
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