Jakob der Reiche (German Edition)
stand auf und ging bis zu einem kleinen, in die Wand eingelassenen Holzschrank, der mit geprägten und gehämmerten, wie bei einer Ritterrüstung blank polierten und mit Gold verzierten Eisenbändern belegt war. Er schloss die Tür des kleinen Schranks auf und nahm eine ungewöhnlich große, lederbezogene Schatulle hervor. So, wie es war, trug er das Behältnis zum Tisch zurück. Dann legte er das Kästchen neben die Schale mit den Küchlein, ging um den Tisch herum und ließ sich wieder auf seinem hohen Lehnsessel nieder.
»Du kannst es selbst aufmachen«, sagte er dann. Seine Stimme zitterte kaum merklich. Auch sie spürte seine eigenartige Erregung. Zum ersten Mal sah er etwas wie Scheu in ihren Augen. Sie öffnete die Schatulle und verharrte mitten in der Bewegung.
Wie das Weib Lots, dachte Jakob unwillkürlich, zur Salzsäule erstarrt, als sie sah, was sie nicht sehen durfte …
»Es ist für dich«, sagte er leise. »Aus dem Schatz von Karl dem Kühnen, dem Burgunderherzog.«
»Mein Gott! Wie prächtig!«, stieß sie hervor. »Aber hätte das … hätte das nicht alles seiner Erbtochter Maria zugestanden und ihrem Gatten Maximilian, nachdem sie tot war?«
»Es wurde Beute der Männer, die ihn vor fast dreißig Jahren besiegt und dann getötet haben.«
»Und nun soll ich das tragen?«
»Das leider nicht, Sibylle«, sagte er. »Du darfst es haben und besitzen, aber niemals tragen.«
Sie starrte ihn ungläubig an. Für eine Weile schienen beide nicht zu atmen. Dann zitterte ihr Kinn, ihre Augen wurden kleiner, und eine Falte erschien über ihrer Nase zwischen den Brauen. Mit einer heftigen Handbewegung stieß sie die Schmuckschatulle von sich. Die Schale mit den süßen Küchlein glitt vom Tisch und zersprang klirrend auf dem Boden.
»Ich will kein Diebesgut und nichts, das ich nicht tragen darf!«, stieß sie mit schriller Stimme hervor. Jakob wich wie vom Blitz getroffen zurück. Er hatte angenommen, dass ihre Habgier größer als ihr Stolz sein würde, und nicht bedacht, dass sie ein Weib war und zeigen wollte, was sie besaß.
Nach diesem Vorfall mieden sich die Eheleute Fugger noch sorgfältiger als schon zuvor. Sibylle lud ihre Freundinnen und Bekannten ins Haus am Rohr ein, dazu Angehörige der feinen Gesellschaft Augsburgs. Schließlich kamen sogar Patrizier, die noch immer dagegen waren, dass das Fuggerwappen mit den beiden Lilien in die offiziellen Darstellungen der angesehenen Geschlechter aufgenommen wurde.
Manchmal hatte Jakob sogar den Eindruck, dass Sibylle mehr unter diesem Mangel an Anerkennung litt als darunter, dass sie den Burgunderschmuck nicht öffentlich tragen durfte. Jakob verstand immer noch nicht ganz, warum sie an jenem Abend sein Geschenk zuerst empört zurückgewiesen und dann doch noch ganz schnell zugegriffen hatte, als er selbst die Schatulle wieder an sich nehmen wollte. Der Blick, mit dem sie ihn damals angefunkelt hatte, war ihm noch immer unvergesslich. Er ärgerte sich über seine Empfindungen ihr gegenüber. Er wusste nicht, was er ihr wirklich vorwerfen sollte – außer dem, was er von Anfang an gewusst hatte. Und genau das quälte ihn. Hinter ganz alltäglichen Ereignissen vermutete er plötzlich mehr als früher. Als Maximilian gegen die Empfehlung seiner Räte eine große Menge rotes Tuch bei den Fuggern von der Lilie bestellte, wollte Jakob diese Order ein, zwei Tage lang sogar ablehnen. Es kam zum Streit zwischen ihm und Georg.
»Er bekommt, was nötig ist, aber nichts für seine Launen!«, sagte Jakob bestimmt.
»Aber wir können uns nicht gegen den Willen Maximilians stellen!«, erwiderte Georg hartnäckig.
»Duckst du dich etwa vor unserem nimmersatten Ritter?«, fragte Jakob spöttisch. »Wirst du denn nie verstehen, dass man bei Maximilian und anderen Herren nur dann geachtet wird, wenn man den Mut hat, auch einmal Nein zu sagen?«
»Du treibst es noch so weit, dass wir alles verlieren«, sagte Georg. »Vergiss nicht, dass ich selbst schon einmal unter kaiserlichem Bann stand!«
Er rang immer heftiger nach Luft, dann ließ er seinen linken Arm fallen und schlug sich mit der rechten Hand gegen die Brust, dorthin, wo das Herz ihn schmerzte. Jakob sprang heran. Er konnte den Bruder gerade noch auffangen und auf einen Stuhl gleiten lassen.
Georg brauchte fast zwei Monate, bis er sich wieder erholt hatte und erneut durch die Schreibstuben im Palast am Rindermarkt schlurfen konnte.
Auch aus Italien brachten die Tassis-Reiter und die eigenen Boten
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