Jakob der Reiche (German Edition)
Welser und Conrad Peutinger bleich. Die feinen Damen drehten sich abrupt um und rauschten erbost zu den Ausgängen.
Schneller als Jakob reagieren konnte, übernahm der päpstliche Legat das Regiment. Er hob die Hand und ließ die Bläser und Trommler am Rand des großen Saals verstummen. Noch ehe irgendjemand eine Schmähung, einen Protest oder gar einen Schrei des Widerwillens hervorbringen konnte, rief er in deutscher Sprache: »Kniet nieder, meine Kinder! Kniet alle nieder vor Gott, damit ich euch Gnade und Ablass für Schuld und Pein gewähren kann!«
Für einen Augenblick herrschte atemlose Verwirrung. Dann fielen die ersten Mönche aus dem Gefolge des Kardinals auf die Knie. Andere folgten, und auch die Weiblichkeit zögerte nicht länger. Es war, als würden alle von Gott, dem Allmächtigen, im Hause Fugger zu Boden gezwungen.
Die Liga von Cambrai
Nur selten zuvor hatte sich ein Heer so langsam und zögernd in Bewegung gesetzt. Noch bis zur Weihnachtszeit lagerten Tausende von Männern in kalten Zelten und Scheunen in und um Innsbruck. Viele von ihnen schätzten sich bereits glücklich, wenn sie etwas vom warmen Stalldunst bei Schweinen und Kühen abbekamen.
Maximilians Scharen brachen mitten im Winter auf, um über den Brennerpass nach Süden zu ziehen. Das Glück war ihnen hold, denn der Föhn erleichterte den Übergang ins Etschtal. Bereits Mitte Januar erreichte die Nachhut Bozen und danach Trient. Hier stand die Kathedrale, die Kardinal Caravajal für das Schauspiel der Krönung vorgeschlagen hatte. Hier kamen auch die Waffen an, die auf Vorrat in Fuggerau gelagert worden waren. Und hier gab es auch ein angemessenes Schloss für den kaiserlichen Hofstaat mit dem hoffnungsvollen Namen Buonconsiglio – »guter Rat«.
Zur selben Zeit bezahlten die Abgesandten Jakob Fuggers sämtliche Schulden, die noch auf der Grafschaft Kirchberg lasteten, an die Stadt Ulm. Damit konnten sie unbelastet zur Burg Kirchberg weiterreiten, um diese mit allen Waffen und Vorräten zu übernehmen. Anschließend unterstellten sich die Bewohner der Grafschaft den Beauftragten ihres neuen Herrn. Einige fügten sich sofort, andere protestierten und wollten keinen Kaufmann als neuen Herrn anerkennen.
Jakob hatte sich entschlossen, weder in Italien noch in Kirchberg dabei zu sein. Er wollte die Fäden von Augsburg aus in der Hand behalten.
Bereits vier Tage nach dem Ereignis erfuhr Jakob in Augsburg von Hans Kohler, wie die Zeremonie in Trient abgelaufen war. Der Faktor der Fuggerschen Handelskammer in Venedig war auch nicht mehr der Jüngste. Dennoch hatte er sich bereits in der Stunde nach der erfolgten Kaiserproklamation im Dom von Trient auf das erste der an der ganzen Strecke bereitstehenden Tassis-Pferde geschwungen.
Am ersten Abend hatte er trotz Schnee und Eis Bozen passiert, war am zweiten über Brixen bis nach Sterzing, am dritten nach Innsbruck gekommen und hatte am vierten dann die Stadt am Lech erreicht.
»Legt mich in heiße Tücher!«, ächzte er. »Salbt mir den Arsch mit Hirschtalg! Gießt mir den trockenen Schlund mit heißem Bier voll und lagert mich drei Tage lang bei nackten Schwäbinnen!«
»Du sollst haben, was dein Herz begehrt«, antwortete Jakob erfreut und schnippte mit den Fingern. Nach und nach wurde alles herbeigeschafft, was Hans Kohler gefordert hatte. Nur mit den Schwäbinnen wurde es an diesem Tag nichts mehr.
Schon kurz darauf glich der vornehme und sonst so strenge Raum einem Jahrmarkt. Überall dampfte und brodelte es.
»Es hat an diesem Freitag, dem fünften Februar, bis zum Nachmittag gedauert«, berichtete Hans Kohler, während er nackt und halb in feuchte, heiße Tücher gehüllt auf einem umständlich hereingetragenen Bett lag und sich von mehreren rotwangigen, aber züchtig bekleideten Mädchen mit Ringelblumensalbe einreiben ließ.
»Die Kardinäle hatten für sehr schöne Heiligtümer, Reliquien und Monstranzen gesorgt, die vor Maximilian und den Würdenträgern in festlichem Ornat in einem langen Zug vom Schloss Buonconsiglio bis zur Kathedrale von Trient mitgeführt wurden …«
Er stockte und wälzte sich jammernd zur Seite, damit auch die anderen schmerzenden Stellen seines Körpers behandelt werden konnten.
»Und weiter?«
»Es war ein grausames Schauspiel«, stöhnte Hans Kohler. »Nicht zu vergleichen mit einer üblichen Prozession, mit dem Karneval in Venedig oder gar einer Fürstenhochzeit. Das ganze Volk wartete in der eisigen Kälte auf eine Art Wunder, auf einen
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