Jakob der Reiche (German Edition)
sich mit beiden Händen auf die Platte und sah ihn von oben her an. »Ihr seid tot, Meister Jacopo«, sagte er leise. »Tot und verloren, wenn Ihr es wagen solltet, das Netz zu zerreißen, das nur so lange hält, wie jeder von uns eine der Schlingen festhält. Übertreibt Maximilian, schadet es Euch und der Kirche. Übertreibt Ihr selbst, vernichtet Ihr den Habsburger und zerstört das göttliche Werk eines neuen Petersdoms!«
»Und wenn er nicht gesalbt wird? Sollen Italien und Europa etwa französisch werden?«
Kardinal Caravajal schüttelte den Kopf und lachte. »Weder französisch noch venezianisch, weder das Eigentum der Medici noch der Sforza oder Valois. Gottes Gnade scheint für alle Seelen, ganz gleich, welchem König sie dienen. Ihr wisst genauso gut wie ich, wie gefährlich die Ketzer und Häretiker sind, wie verderblich Proteste von Pfaffen und Theologen sein können, die landauf, landab gegen den gütigen Ablasshandel geifern. Hier liegen für uns alle die eigentlichen Gefahren …«
Er richtete sich auf und ging auf Jakob Fugger zu. Dann legte er ihm beide Hände auf die Schultern und sagte wie ein guter Freund: »Was ich jetzt sage, ist endgültig, Conte Fuccero: Weder der Heilige Vater noch ich oder ein anderer Kardinal werden Maximilian krönen und salben. Kein Einziger, habt Ihr verstanden?«
Jakob presste die Lippen zusammen und nickte. Vorbei – alles vorbei! Mit einem nur von den Kurfürsten gewählten, aber nicht gesalbten Kaiser musste das Heilige Römische Reich Deutscher Nation zusammenbrechen. Es war nicht einig und stark genug gegen Türken und Ungarn, Franzosen und Spanier, die Niederländer, die Kirche und die Signorien. Und wenn mit Maximilian das Haus Habsburg unterging, dann war das auch das Ende der Fugger!
In diesem Augenblick schoss ihm ein verwegener Gedanke durch den Kopf. »Wenn er … wenn er nun aufbrechen würde und sich dann irgendwo unterwegs, in einem Gotteshaus des Kirchenstaates oder noch besser an der Grenze seines Reiches, ehe er mit den Venezianern zusammenstößt … wenn er sich selbst die Krone aufsetzen würde … mit Kardinälen und Bischöfen an seiner Seite, die ja nichts tun und sich deshalb für nichts beim Papst verantworten müssten …«
Kardinal Caravajal schürzte erneut seine Lippen, als wollte er pfeifen, dann verzog er sein Gesicht und nickte überrascht. »Das wäre eine äußerst sinnvolle Lösung!«
»Natürlich würde das Maximilian nicht reichen«, sagte Jakob.
»Ihr dürft bei diesen Vorgängen nicht wie ein Kaufmann denken oder die Wahrheit nach Maß und Gewicht bestimmen!«, sagte der Kardinal. »Es geht bei diesen Zeremonien ausschließlich um die Liturgie und Rituale. Und nicht die Wahrheit an sich ist entscheidend, sondern allein das, was die Menschen glauben.«
Obwohl er wusste, dass der Mann aus Rom recht hatte, sah ihn Jakob fragend an.
»Wie viele Männer sind bei seinen Ritterspielen nur zum Schein unter dem Stoß seiner Lanze aus dem Sattel gefallen?«, fuhr der Kardinal deshalb fort. »Was ist denn wahr an der Ehe per procuratorem? Und was hat mehr Symbolik als Wein und Hostien bei der Wandlung in Blut und Fleisch des Herrn?«
Er legte seine Hände flach vor der Brust zusammen. »Maximilian darf sich ›Erwählter Kaiser‹ nennen, so viel steht fest. Also lassen wir ihn selbst diesen Titel feierlich zelebrieren … und wie Ihr sagt … vor Venetien.«
Er trat vor Jakob und legte ihm die Hände auf die Schultern. »Gebt ein Fest für mich, Jacopo, und lasst alle sehen, wie wir gemeinsam feiern. Seid in den nächsten Wochen freundlich zu einigen Fürsten der Kirche wie Kardinal Melchior von Meckau und Kardinal Matthäus Lang, dem Fürstbischof von Gurk. Sie wären vielleicht bereit, dem Kaiser entgegenzuziehen und ihn bis zur Kathedrale von Trient zu begleiten. Dort könnte die Zeremonie stattfinden.«
Jakob spürte, wie seine Nasenflügel bebten. Mit Meckau arbeitete er schon länger zusammen, und mit Lang war er sogar mütterlicherseits verwandt. Im Grunde überraschte ihn nichts von dem, was Bernardino Carajaval ihm vorschlug. Eigentlich war er seit seinen Jahren in Herrieden davon überzeugt, dass die heilige römische Kirche immer ein wenig mehr wusste und länger vorausplante als alle anderen Mächte auf Erden. Doch jetzt war er es, der die Zügel in der Hand hielt, denn der päpstliche Legat Carajaval tat genau das, was Jakob Fugger wollte.
»Der Allmächtige wird uns einen Weg weisen, der uns alle
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