Jakob der Reiche (German Edition)
zufriedenstellt«, versprach Carajaval. »Doch heute Abend möchte ich meinen Kardinalspurpur gegen eine bescheidenere Kleidung austauschen. Wir haben beide etwa die gleiche Statur, deshalb nehme ich an, dass mir etwas aus Eurem Fundus passen wird.«
»Was habt Ihr vor?«, fragte Jakob vorsichtig.
»Ich sagte doch, Ihr dürft mir zu Ehren ein großes Essen ausrichten, mit allen, die in dieser Stadt Rang und Namen haben. In drei Tagen wäre es mir angenehm. Bis dahin möchte ich mich gern ein wenig aus der Öffentlichkeit zurückziehen. Mir ist nach einem angenehmen Platz in jenem Haus, in dem auch Anton Welser und Euer Freund Conrad Peutinger gern verkehren. Was seht Ihr mich so ungläubig an? Ihr könnt selbstverständlich auch mitkommen …«
Der Gesang zum Lob Gottes erfüllte das hohe Kirchenschiff des Augsburger Doms. Dicht an dicht standen die angesehensten Bürger der Stadt mit ihren Familien im prächtigen Gotteshaus. Der Erzbischof selbst las die Messe, damit sich Kardinal Caravajal für den anschließenden Ablass schonte. Genau darum ging es den meisten der Anwesenden. Eine Vergebung der Sünden durch den Abgesandten des Heiligen Vaters erschien ihnen weit wirkungsvoller und auch – nach Münzen gerechnet – kostbarer als der bisherige Handel.
Auch diesmal überwachten Schreiber der Fugger von der Lilie die mit eisernen Bändern und schweren Schlössern versehenen Ablasskästen. Schon als die ersten hundert Augsburger ihr Geld für das Himmelreich abgeliefert hatten, mussten die beiden Sammelkassetten durch neue ausgetauscht werden. Kardinal Caravajal war kein stiller Gottesmann. Flammender noch als die anderen Ablassprediger hielt er der Menge in seiner lateinischen Predigt ihre Sündhaftigkeit vor und forderte sie auf, die Pein der zeitlichen Höllenstrafen durch einen tiefen Griff in den Beutel abzukürzen. Die Augsburger duckten sich und vergaßen den stillen Protest, mit dem einige von ihnen in den Dom gekommen waren.
Aber Caravajal ließ es nicht bei einer Ablasspredigt bewenden. Nachdem der erste Ablass gesammelt war, begleiteten ihn sämtliche Chorherren und der Erzbischof zusammen mit seinem eigenen Gefolge quer durch die ganze Stadt über den Hügel zwischen der Wertach und dem Lech. Sie schritten über die alte römische Via Claudia an den Palästen der Fugger vorbei bis zu den himmelwärts strebenden Hallen von Sankt Ulrich und Afra. Hier wiederholte sich die gesamte Zeremonie. Es hatte den Anschein, als wären dadurch den reicheren Augsburgern die Sünden zum zweiten Mal erlassen worden.
Dem anstrengenden Vormittag folgten zwei Stunden Ruhe. Danach versammelten sich Caravajal, sein Gefolge und ausgewählte Gäste zur Mittagstafel im großen Haus der Fugger von der Lilie. Conrad Peutinger mit seiner Ehefrau war ebenso eingeladen wie die Eltern von Sibylle Artzt, einige der Patrizier und befreundete Augsburger Kaufherren.
Die spätherbstliche Sonne stand bereits glutrot über dem diesigen Westhorizont, als eines der feinsten Gelage begann, das die Stadt jemals gesehen hatte. Wie üblich begann die Mittagstafel nicht genau zur Mittagsstunde, sondern am Nachmittag. Noch nie zuvor hatten sich Ulrich und Jakob Fugger derartig darum bemüht, all ihren Konkurrenten und den Würdenträgern der Stadt zu zeigen, zu welch rauschenden Festen sie fähig waren. Die vielen, schnell aufeinanderfolgenden Gänge des unglaublich opulenten Festmahls ließen vergessen, wie teuer der Safran nach drei Jahren mit Missernten geworden war, wie steil die Preise für andere rar gewordene Spezereien aus Malakka und Portugal in die Höhe geschossen waren und wie minderwertig der Pfeffer in den vergangenen Jahren geworden war.
Bei den Fuggern gab es an diesem Tag Fleisch und Gewürze, Fisch und exotische Kuchen nur von der feinsten Art. Nach dem Mahl ließ Jakob Fugger zum Tanz aufspielen. Er, der sonst nicht viel von derartigen Vergnügungen hielt, führte mit seiner wunderschönen, kostbar geschmückten Ehefrau Sibylle den Reigen an wie bei den großen Geschlechtertänzen in Augsburg. Sofort standen die anderen Gäste auf und drängten sich zum Tanz.
Innerhalb weniger Minuten verwandelte sich das sonst so ernsthafte Haus am Rindermarkt in einen fröhlich klingenden Lustgarten. Kardinal Caravajal ließ sich mitreißen und tanzte plötzlich mit einer vornehm, aber bescheiden gekleideten jungen Frau, die von keinem der Fugger eingeladen worden war, durch den Saal. Als man Anna Laminit erkannte, wurden Anton
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