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Jakob der Reiche (German Edition)

Jakob der Reiche (German Edition)

Titel: Jakob der Reiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R.P. Mielke
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das hohe Kirchenschiff von Sankt Ulrich und Afra. Die Kirche des Stadtheiligen und der römischen Tempeldirne aus dem dritten Jahrhundert, die wegen ihres Christenglaubens zur Märtyrerin geworden war, warf im Abendrot lange Schatten.
    »Ob er sich wohl noch an mich erinnert?«, fragte Jakob. »Der kleine Max muss inzwischen ebenfalls groß geworden sein. Er hat ja durch die Heirat im vergangenen Jahr nicht nur Burgund, sondern auch noch die Niederlande gewonnen und gegen die neidischen Franzosen tapfer verteidigt. Das weiß ich alles, aber was mich viel mehr interessiert: Hat er oder der Kaiser irgendwann etwas für die vielen teuren Stoffe, Kleider und Ausrüstungsstücke gezahlt?«
    Ulrich sah ihn verwundert von der Seite her an. »Hast du die Lilien schon vergessen?«
    Jakob schüttelte den Kopf. Dennoch kam ihm der damalige Handel immer noch sehr unvorteilhaft vor. Beim Haus am Rohr kamen ihnen bereits die Mutter, Georg und einige der Schwestern entgegen, so verzagt und düster wie bei Peters Beerdigung in Nürnberg.
    Jakob glitt viel steifer aus dem Sattel, als er es vorgehabt hatte, doch niemand lachte, als er verkrümmt und steif zur Mutter schritt, um sie in die Arme zu schließen. Gleichzeitig war er über den Empfang enttäuscht. Jetzt, als er tatsächlich ins Haus am Rohr zurückkehrte, schien sich kein Mensch wirklich darüber zu freuen. Niemand brachte ihm Wein und Gebäck wie dem verlorenen Sohn bei seiner Heimkehr …
    In den folgenden Tagen zeigte ihm Georg die neu entstandenen Lagerhallen und Gewölbe. Sie waren zum Bersten angefüllt mit den Erzeugnissen der Augsburger Weber und mit bester Importware aus aller Herren Länder.
    »Sieh hier«, sagte Georg stolz. »Die Ballen dort vorn enthalten venedisch Marinado und rotes Schlepptuch, die anderen zur Linken Sammet und Seide aus Lyon, englisches Grau und schwarz luxemburgisch Tuch. Wir handeln inzwischen mit Nördlinger Loden und Frankfurter Arras, mit kostbarem Damast ebenso wie mit Bleichtuch und einfachen Rohwaren wie Baumwolle.«
    Obwohl Jakob in Herrieden Hunderte unterschiedlicher Warenproben gesehen und studiert hatte, kam er sich nach dem ersten Tag in Augsburg wie ein Lehrjunge vor, dem erst der Unterschied zwischen Kett- und Schussfaden beigebracht werden musste. Während die Brüder und die Mutter wie Jongleure bei fahrendem Volk die Begriffe und Besonderheiten der Stoffe und Farben, von Käufern und Verkäufern, Märkten und Handelswegen hin und her warfen, schämte sich Jakob für seine schreckliche Unwissenheit. Was hatte er wirklich gelernt in seinen neun Jahren Herrieden? Und welche Neuigkeiten waren bis in das Stift gelangt, wenn kaum eine davon etwas mit dem zu tun hatte, was auf den Messen und den Märkten geschah?
    Auch Mutter Barbara hatte sich verändert. Anders als früher umarmte sie ihn nicht mehr so oft, strich ihm nicht mehr über die langsam zuwachsende Tonsur und wischte sich manchmal Tränen aus den Augen, wenn sie unverdrossen rechnend und prüfend über den schweren Kontobüchern saß.
    Sie musste ihm nicht sagen, was sie bekümmerte. Von ihren sieben Söhnen lebten nur noch drei. »Jetzt musst du doch noch in die Welt hinaus, mein lieber Junge«, seufzte sie eine Woche nach seiner Ankunft im Haus am Rohr. Sie waren allein. Ulrich und Georg waren ins Rathaus gegangen. Hier war es erst im Jahr zuvor zu einem sehr seltsamen Zwischenfall gekommen: Augsburgs Altbürgermeister Hans Vittel hatte sich beim Kaiserhof darüber beschwert, dass der neue Bürgermeister Ulrich Schwarz die großen Kaufleute und ehrenwerten Geschlechter behindere und es mehr mit den Handwerkerzünften halte. Schwarz hatte nicht lange gezögert und Vittel bei der Rückkehr in die Stadt in den Turm werfen lassen. Kurz darauf war er verurteilt und hingerichtet worden.
    Im April war dann der Reichslandvogt Heinrich von Pappenheim mit bewaffneten Knechten in eine Ratsversammlung eingedrungen, hatte den Bürgermeister gefangen genommen und abgesetzt. Jetzt hieß es, dass auch Schwarz hingerichtet werden solle, um die alte Ordnung wiederherzustellen.
    Es wurde bereits dunkel, als Ulrich und Georg zurückkehrten.
    »Und es ist gut so!«, sagte Ulrich mit Nachdruck, nachdem er sein Samtbarett abgelegt und ins Kontor heraufgekommen war.
    »Ich weiß nicht«, antwortete Georg und ließ sich in einen der schweren Eichenstühle an der Wand fallen. »Schwarz war doch eigentlich nicht schlecht für Augsburg. Immerhin hat er beim Kaiser durchgesetzt, dass unsere

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