Jakob der Reiche (German Edition)
Etage höher.«
Jakob kam sich plötzlich wie in einem kostbar ausgestatteten Kirchenraum vor. Nie zuvor hatte er eine derartige Pracht gesehen. Vorsichtig ging er ein, zwei Schritte in den Raum hinein. Voller Bewunderung sah er sich um. Und dann blieb sein Blick am Bildnis einer jungen Frau hängen. Sie stand vor mit riesigen Zypressen bestandenen Hügeln und trug einen ungewöhnlich großen Saphirring in einer eigenwillig verschlungenen Fassung. Im ersten Augenblick erinnerte sie ihn an die Maria im Rosenhag, wie sie einige Jahrzehnte zuvor von Stefan Lochner gemalt worden war. Er hatte eine Kopie des Bildes vom Altar des Kölner Doms bei Abt Wolfgang in Herrieden gesehen. Jakob spürte, wie sein Herz bis in die Ohren pochte.
Ihm schien, als blicke ihn hier kein Bild, sondern ein lebendiges Wesen an. Hinter ihm plapperte Lukas, und Ulrich antwortete, doch Jakob starrte nur noch auf das Bild auf der anderen Seite des Raumes.
»Wer … wer ist sie?«, fragte er schließlich.
»Meine Tochter«, antwortete ein alter Herr, der, unbemerkt von den drei Fuggern, in den Salon getreten war. »Meine Tochter Caterina, die Königin von Zypern, deren vermeintlicher Tod soeben in der ganzen Stadt betrauert wird.«
Er ging auf Ulrich zu, dann sah er Jakob in die Augen.
»Aber sie lebt«, sagte er leise. »Ich erfuhr durch Geschäftsfreunde in Ägypten von den Plänen der Republik Venedig und konnte das Attentat auf meine Königin rechtzeitig vereiteln.«
Jakob spürte augenblicklich, dass sich erneut etwas in seinem Leben veränderte. Es war noch keinen Monat her, dass er die klare Ordnung seiner kleinen Welt im Kloster von Herrieden verlassen hatte.
Doch nun brach vor dem ersten Schritt aus der Welt des Glaubens in die Welt des Handels eine Woge völlig unerwarteter Empfindungen über ihn herein. Sei es der lange Ritt, sei es die Hitze und der wilde Duft der Früchte und Kanäle, sei es der Blick der Augen von Caterina Cornaro – Jakob spürte nur noch, wie er den Halt verlor.
Alles um ihn verschwamm in einem Nebel. Wie im Wachtraum ließ er sich von Lukas mit Hilfe von zwei Dienern eine Treppe höher führen. Sie trugen sein Gepäck nach, packten aus und verstauten seine bescheidene persönliche Habe und sein zerlesenes Brevier in Wandschränken mit geschnitzten Türen aus hellem Walnussholz. Das Bett, das den größten Teil des kleinen Raumes einnahm, sah für einen Mann wie ihn zu wertvoll und verspielt aus. Er war seit Jahren nur an einfachste Lager oder Strohsäcke gewöhnt.
Die Diener nahmen ihm seinen Überrock ab, dann öffneten sie sein Hemd und führten ihn in die Nebenkammer. Das Wasser aus einer Keramikkanne war bereits in eine gewölbte, ringsum mit nackten Nymphen bemalte Schüssel gegossen.
»Wir lassen dich jetzt allein«, sagte Lukas Fugger vom Reh. »Vielleicht ist es am besten, du nimmst nachher nicht am großen Abendessen teil, sondern ruhst dich hier bis morgen aus.«
Jakob nickte. Ulrich wollte ohnehin so schnell wie möglich weiter nach Rom. Er hatte deshalb nur eine Übernachtung und einen halben Tag im Handelshaus der Deutschen am Canal Grande vorgesehen.
Jakob holte tief Luft, drückte ein Leinentuch ins Wasser und wusch sich Staub und Hitze von Gesicht und Hals. Noch immer wusste er nicht, was unten im großen Empfangsraum der Cornaros mit ihm geschehen war. Er schämte sich für seine Schwäche und sein unhöfliches Verhalten.
Nachdem er sich gewaschen und erfrischt hatte, ging er zu einem der Fenster und öffnete es. Sofort kam ihm ein feuchter Luftschwall mit intensiven Gerüchen entgegen, weit schwerer und betäubender als selbst der Föhnwind, der häufig aus den Alpen durch Augsburg pfiff.
Der große Platz unter ihm musste der Rialto-Markt sein. Jakob beobachtete, wie schräg unter ihm Früchte, Gemüse, Wild und Geflügel aus den Lastkähnen geladen und zu den Verkaufsständen transportiert wurden. Er holte tief Luft, dann entdeckte er zur linken Seite die beeindruckende Konstruktion der Rialto-Brücke und das mächtige Bauwerk des Fondaco dei Tedeschi.
Er beobachtete, wie sich mindestens zehn melonenbeladene Boote auf dem Wasser zu einer Insel zusammendrängten. Die laute Menge kam bis ans Kanalufer gelaufen, um die Preise zu erfahren, an den schönsten Melonen zu riechen und sie in der Hand zu wiegen.
Dann sah er, wie eine junge Braut stolz und schön in einer Gondel vorbeifuhr, um sich in ihrem Seidenkleid und mit ihrem Gold- und Juwelenschmuck bewundern zu lassen. Auch der
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