Jakob der Reiche (German Edition)
Meran gelernt«, sagte der Haller Münzmeister freundlich zum Empfang. Der stämmige Tiroler trug einen weiten, grauen Wollkittel mit schwarzem Dachsfell am Kragen und ein weit ausladendes, mehrfach in Falten gelegtes Barett. »Er starb leider, nachdem wir hierher gezogen sind.«
»Zu der Zeit war ich noch im Stift Herrieden. Man hat mich nicht einmal zu seiner Beerdigung eingeladen.« Jakob stockte ein wenig, und seine Stimme klang vorwurfsvoll, als er fortfuhr: »Ich erfuhr erst später, dass er gestorben ist.«
»Ja, Eure Mutter und Eure Brüder in Augsburg waren sehr streng zu ihm. Sie haben nicht mehr mit ihm gesprochen, seit er in Augsburg im Schuldturm gesessen hat. Auch nicht, nachdem Euer Vater den letzten Pfennig für ihn abbezahlt hatte und Franz Bäsinger bei uns in Tirol Münzmeister geworden war.«
»Ich habe ohnehin nie verstanden, wie ihm das gelungen ist«, sagte Jakob.
Der Münzmeister von Hall lächelte verschmitzt. »Er war eben ein begnadeter Mann, der sich auf vielerlei Silberlegierungen und gute Prägungen verstand. In Schwaben oder in Bayern konnte er nichts mehr werden, nachdem man ihm hatte nachweisen können, dass er Gewicht und Form seiner Münzen allzu knapp hielt. Aber für uns hier war er ein Geschenk des Himmels, Gott hab ihn selig. Er hat aus dem Silber stets sein eigenes Gehalt herausgeschlagen und noch einen ansehnlichen Gewinn für den Erzherzog …«
Kurz darauf erschienen zwei fröhliche Männer. Der erste gehörte zum Hofstaat des Tiroler Landesfürsten, der andere sah wie ein Geistlicher aus dem Norden aus.
»Der Obristhauptmann Anton vom Ross«, erklärte der Münzmeister schnell. »Sei höflich und aufrichtig zu ihm. Er ist selbst ziemlich vermögend und gerade der neue Herr über die Finanzen unseres Herzogtums geworden.«
»Muss man denn reich dafür sein?«, fragte Jakob.
»So reich, dass der Fürst dich als lebende Geldtruhe benutzen kann«, antwortete der Münzmeister und lachte schadenfroh.
Jakob wollte gerade fragen, wer der andere war, als dieser seine Kapuze zurückschlug und Jakob ihn erkannte. Es war Melchior von Meckau, den er bereits in der deutschen Kirche in Rom und bei jenem denkwürdigen Abendmahl des Kardinals della Rovere im Vatikan kennengelernt hatte. Der knapp Vierzigjährige, der aus einer Ministerialenfamilie im sächsischen Meißen stammte, hatte sich damals als Stellvertreter des Bischofs von Brixen in Rom aufgehalten.
Nach einem Schluck Wein zum Empfang und der gegenseitigen Vorstellung führte der Münzmeister sie durch die Räume, in denen Silber geschmolzen, die Schrötlinge gestanzt, rings um den Rand auf das richtige Gewicht beschnitten und anschließend mit gut gewogenen Schlägen aus dem Fallhammer zu kleinen Kreuzermünzen geprägt wurden. Zum ersten Mal in seinem Leben sah Jakob, wie das entstand, wonach die ganze Welt jagte, wofür sie Kriege führte, handelte, betrog und wovon es anscheinend niemals genug geben würde.
»Hier, Ihr Herren, entsteht aus schierem, edlem Metall das Geld«, erklärte der Münzmeister gewichtig. »Und wir bestimmen den Wert, den wir in jede Münze schlagen …«
Später, nachdem sie sich bei Fisch, Fleisch und Brot gesättigt hatten, wurde das Gespräch lockerer.
»Wir müssen endlich eine neue, wesentlich größere Münze einführen«, sagte der Obristhauptmann. »Das Bezahlen mit Kleingeld wird für Kaufleute und bei Staatsgeschäften immer mühsamer. Ebenso gut könnte man Bohnen oder rote Linsen in Säcken herumkarren.«
»Ja, das ist richtig«, sagte Jakob zustimmend. »Für einige der Pfefferarten muss man in Venedig schon mehr als ihr Gewicht in Silbermünzen zahlen.«
Meckau, der eher Fürst als Bischof war, lächelte und blinzelte Jakob fröhlich zu. »Wenn Ihr ein kluger Kaufherr werden wollt, dann vergesst niemals, dass Kleinvieh sehr viel mehr Mist macht als eine Kuh, die immer große Haufen scheißt. Wir jedenfalls haben bei uns in Sachsen gern all die kleinen Münzen der Bauerntölpel und der Gläubigen der reichen Städte eingesammelt. So manche Handelshäuser wechseln die Säcke mit dem Kleingeld gegen Gold, das sie in Rom dann an den Papst auszahlen.«
»Gold?«, wiederholte der Münzmeister und lachte abfällig. »Seit die Rheinischen und die deutschen Kurfürsten immer weniger Goldmünzen schlagen, gibt es hier kaum noch ihre Gulden. Die Berge Tirols enthalten jede Menge Silber und Kupfer, aber so gut wie keine Goldadern. Deswegen brauchen wir endlich eine goldwerte
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