Jakob der Reiche (German Edition)
darf«, berichtete der Münzmeister wenig später, nachdem neuer Wein gebracht worden war. »Aber mir sind ebenfalls die Hände gebunden, weil Innsbruck nicht sehr großzügig beim Ankauf neuer Münzen ist. Also verkaufen manche ihr Silber lieber in Venedig, auch wenn sie es mühsam dorthin karren müssen.«
»Aber sie verstehen nichts vom Handel und von den Risiken des Transportes«, fügte vom Ross hinzu.
Von Meckau nickte. »Was hier helfen würde, wäre jemand, der schon Erfahrungen mit den Venezianern gesammelt hat und der bereit ist, neue Wege zu gehen. Ein völlig unvorbelasteter Zwischenhändler sozusagen …«
Das also war es! Für einen Augenblick war alles still.
»Ihr könntet dabei zugleich auch die Bank sein«, erklärte der Münzmeister dann. »Ganz so, wie sie Euer Bruder Markus bereits im Vatikan war. Wir geben Euch das Kleingeld aus den Opferstöcken, von den Zöllnern und den Steuereintreibern. Dann teilt Ihr alles durch vier, zahlt einen Teil dem Vatikan, den zweiten dem Erzherzog, den dritten uns hier und den vierten an Euch selbst. Dabei könnt Ihr mit allen vier Teilen so spekulieren, dass es den größten Gewinn für uns alle abwirft.«
»Ihr müsst nur für die Organisation aufkommen, und wir beschaffen Euch immer wieder ansehnliche Einlagen in Eure Gesellschaft, von denen niemand etwas erfährt«, ergänzte Melchior von Meckau. »In Rom dürftet Ihr ja gesehen haben, was alles möglich ist, wenn man das Geschäft geschickt genug aufzieht …«
»Ich fürchte, ich verstehe von Bankgeschäften ebenso wenig wie von kapitalschwachen Silberbergwerken.«
»Ich schlage vor, mein Sohn, Ihr fahrt zunächst zurück nach Augsburg«, sagte Meckau. »Ihr müsst Euch erst in die Firma Eurer Familie einarbeiten. Wahrscheinlich schicken Euch Eure Brüder in den nächsten Monaten auch in andere Faktoreien.«
»Wenn sie Euch dann fragen, welche Niederlassung Ihr als erste übernehmen wollt, wäre Innsbruck für uns alle eine gute Wahl. Sobald es Winter wird und weniger Waren über die Straßen gehen, könnt Ihr Euch die ersten Gruben in Schwaz und Rauris ansehen. Anschließend dann in Rottenmann, Schladming, Rattenberg und andere, die sich für eine heimliche Beteiligung durch die Fugger von der Lilie eignen.«
»Mich friert schon jetzt nach der Sonne Italiens«, sagte Jakob, obwohl ihn urplötzlich ein ihm selbst unerklärliches Verlangen dazu trieb, sich auf das große Spiel einzulassen. »Aber ich danke Euch Herren für Euer ungewöhnliches Vertrauen.«
Das Geheimnis der Null
Sie verließen Hall am nächsten Tag später als beabsichtigt. Nach seiner Rückkehr am Vorabend war Jakob zusammen mit Conrad noch einmal aufgebrochen und zur Burg gefahren, in der sich der Kaiser und sein Sohn Maximilian aufhalten sollten. Er wusste nicht genau, was er sich von einem Blick auf die kaiserlichen Hoheiten versprach, aber seit er vor sieben Jahren im Haus am Rohr mit Maximilian Ball gespielt und über bunt gedruckte Augsburger Kalender gesprochen hatte, interessierte er sich für ihn. Schon damals hatte die erste große Finanzhilfe für die kaiserliche Hofhaltung Ulrich und seinen Brüdern statt der Rückzahlung nur den Wappenbrief mit zwei goldenen Lilien auf blauem Untergrund eingebracht …
Jakob und Conrad sahen weder Kaiser Friedrich III . noch Maximilian oder Erzherzog Sigismund. Zusammen mit anderen Gästen saßen sie noch bis spät in die Nacht beim Wein. Er war von einer leicht säuerlichen, unreif schmeckenden Art, die Jakob noch nicht kannte. Was das bedeutete, spürte er erst am nächsten Morgen in seinem dröhnenden Schädel. Bis nach Innsbruck sprachen sie kaum ein Wort. Jeder der beiden hatte auf der holprigen Straße genug mit seinem Kopf und seinem Magen zu tun. Sie beschlossen, nur eine Nacht in der Residenzstadt zu bleiben und am nächsten Tag nach Augsburg weiterzufahren.
Die Reise war nicht sonderlich beschwerlich für die jungen Männer. Nach der ersten fröhlichen Begrüßung fand am darauffolgenden Sonntag die Feier zur Rückkehr des jüngsten Sohnes in den Schoß der Familie im Haus am Rohr statt. Dazu waren auch die Schwestern mit ihren Ehemännern, Neffen und Nichten erschienen. Nach der Messe in Sankt Ulrich und Afra versammelte sich die ganze Familie wieder im Haus. Ganz besonders die jungen Frauen bewunderten den Heimkehrer in der eleganten Kleidung eines venezianischen Nobile. Sie hingen förmlich an seinen Lippen, als er von südlichen Gondelnächten berichtete, vom
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