Jakob der Reiche (German Edition)
aufschreiend ins kalte Wasser fielen.
An diesem Tag schämte sich Jakob Fugger, dass er durch seine schwarz und gelb gestreiften Kleidungsstücke als Deutscher zu erkennen war. Er beschloss, sich so oft wie möglich wie ein Italiener anzuziehen. Die Betrunkenen wurden allesamt gerettet. Einer von ihnen namens Conrad Rehlinger, der bereits mehrfach wegen ähnlichen unerwünschten Benehmens ermahnt worden war, sollte sogar ein Aufenthaltsverbot in der Republik von San Marco erhalten.
»So schlecht und ungebildet sich einige von euch benehmen, so miserabel seid ihr auch bei den Dingen, die den eigentlichen Kaufmann ausmachen«, sagte die fröhliche, aber streitlustig wirkende Signora Cornaro an diesem Abend. Seit sie über den Gesandten Loredan und ihren Mann erfahren hatte, dass ihre Tochter Caterina in Zypern lebte und sich wohl befand, schien sie sich verjüngt zu haben.
Jakob spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg. Der Hausherr legte die Hand auf den Arm seiner Gattin.
»Du hast doch selbst gesagt, er sei nicht so wie die anderen.«
»Das will ich meinen«, bestätigte sie heftig nickend. »Unser Jacopo hat ja auch eine klösterliche Erziehung erhalten und treibt sich nicht in Tavernen und Bordellen rum.«
»Das will noch nicht viel heißen«, beschwichtigte der Alte. »Erinnerst du dich noch an seinen Bruder Georg, der vor zwei Jahren unser Gast war?«
»Und ob ich mich an diesen schönen Deutschen erinnere«, sagte sie und riss die Augen auf. »Den hat doch sogar unser Meister Bellini gemalt.«
»Ja, aber erst nachdem sie zusammen eine Reise durch alle Tavernen links und rechts der Rialto-Brücke gemacht hatten«, sagte der Alte. »Die beiden konnten mehr vertragen als dieser vorlaute und eitle Pfau Rehlinger.«
Jakob bemühte sich, so still wie irgend möglich auf seinem Polsterstuhl zu bleiben. Er wusste nicht, worauf die beiden hinauswollten, aber er wollte nicht ihr Opfer werden.
»Also kurzum, wir haben im vergangenen Jahr einen schlechten Handel gemacht«, sagte die Gastgeberin resolut. »Und nur, weil einige der Welser und dieser Rehlinger zu dumm sind, um zu begreifen, was hier längst ein ungeschriebenes Gesetz ist.«
Der alte Cornaro nickte zustimmend. »Sie haben eingetragen, ehe sie einnahmen, und ausgegeben, bevor sie es notierten«, sagte er. »Und genau das ist der Fehler der meisten Deutschen.«
Irgendwie kam Jakob der Satz bekannt vor. Er strengte sich an und versuchte sich zu erinnern, dann fiel es ihm wieder ein. Es war sein Bruder Peter gewesen, der ständig mit sogenannten Nürnberger Kaufmannssprüchen um sich geworfen hatte. Jakob hatte sich bisher nie für derartiges Gerede interessiert. Aber in der Hauptstadt des Handels im Mittelmeer bekamen Peters Weisheiten einen ganz neuen Klang für ihn.
»Ihr rechnet mit Büchern, in die ihr vollkommen durcheinander alles hineinschreibt, wie es euch gerade einfällt«, erklärte der alte Cornaro. »Dabei wäre kein Handelsherr Venedigs reich geworden, wenn er nicht zwei Bücher gehabt hätte …«
»Zwei Bücher?«, fragte Jakob verwundert.
»Eigentlich sind sogar vier nötig, wenn man die gegenüberliegenden Seiten einzeln rechnet«, sagte der Alte. »In das erste Buch kommen auf eine Seite die Einkäufe und auf die andere die Verkäufe.«
»Das ist auch bei uns selbstverständlich.«
»Gewiss, das wissen selbst die Levantiner, Ägypter und Araber«, sagte Cornaro. »Aber ihr mischt alle Einnahmen und Ausgaben mit Einkäufen und Verkäufen und ordnet sie nicht zu. Deshalb weiß zum Schluss niemand, wie teuer eine Ware mit allen Nebenkosten war und was sie wirklich einbringt.«
»Und wenn man die Posten auf diese Weise trennt?«
»Dann sind Wareneingänge zu Warenausgängen geordnet und Ausgaben zu Erträgen. Und erst zusammen mit Einkauf und Verkauf ergibt sich der Überblick, den wir ›quadri libri‹ – also vier Bücher – nennen. Das ist das ganze Geheimnis, Jacopo, die doppelte Buchführung, jeweils nach Soll und Haben.«
Jakob sah seine vergnügt schmunzelnden Gastgeber ungläubig an. Das alles war so einleuchtend, dass er nicht wusste, warum Ulrich und Georg, Peter und er selbst je anders gehandelt hatten.
»Warum weiß das denn niemand?«, stöhnte er.
»O nein, das darfst du nicht sagen«, warf der Alte ein. »Wir wissen es, und viele von euch wissen es. Aber sie sind eben Deutsche und glauben, dass sie alles besser können als wir Welschen.«
Der Tag des Abschieds von Venedig kam schneller, als Jakob
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