Jakob der Reiche (German Edition)
Fugger angenommen hatte. Ulrich und Georg brauchten ihn bereits in diesem Frühling in Augsburg. Er war ein letztes Mal zum Fondaco dei Tedeschi gegangen, doch nun war auch das vorüber. Das große, lang gestreckte Viereck des Innenhofs kam ihm beim Abschied ebenso eindrucksvoll vor wie bei seinem ersten Besuch. Was er hier im Hof und in den Galerien der oberen Etagen sah, war ein schier endloses Schaufenster, mit dem sich kein anderer Markt vergleichen ließ.
Zwei Dutzend lärmender Gehilfen der verschiedenen deutschen Handelshäuser dirigierten Gondeln und Lastenträger, die mit ihren Fässern, Ballen, Säcken und zusammengerollten Teppichen gefährlich nah an der Steinkante des schmalen Anlegers hin und her liefen. Jakob musste mehrmals schnell zur Seite springen, um nicht umgerannt zu werden. Der Platz zwischen der Fassade des Fondaco und dem Wasser des Kanals war viel zu schmal, um herumzustehen oder dort zu flanieren. Obwohl Jakob sich das lebhafte Treiben gern noch länger angesehen hätte, verließ er mit schwerem Herzen das Innere der deutschen Niederlassung.
Er öffnete das Reisewams bis zur Hälfte und sog den eigenartigen, halb fauligen und halb nach fremdartigen Gewürzen riechenden Nebel über dem Canal Grande tief ein. Kein Kaufmann und kein Händler mit fremden Spezereien wäre fähig gewesen, aus dem Bukett der Düfte jeden einzelnen herauszuriechen. Dennoch erkannte Jakob inzwischen verschiedene Sorten Weihrauch, dazu Anis, Zimt, Nelken und Kubebenpfeffer.
Er bestieg eine Gondel, setzte sich und gab dem Gondoliere das Zeichen zur Abfahrt. Er wusste, dass er etwas von seiner Seele im Fondaco und im Palazzo der Cornaros zurückließ. Aber er schwor sich, zurückzukehren zu Caterina – auch wenn es nur zu ihrem Gemälde war, das er in seinem Herzen trug.
Geld, Kuxe und Geschäfte
Die Kutsche rumpelte seit Stunden am Eisack entlang in Richtung Bozen. Rechts und links kamen die Alpen so dicht an den Fluss und die Straße heran, dass die wenigen Ausweichstellen kaum ausreichten, um die aufwärts ächzende Kutsche an anderen Wagen mit Stück um Stück abwärtsrutschenden Rädern, scheuenden Pferden und wackligen Karren vorbeizulassen.
Vollkommen überraschend hatte sich in Trient der junge Conrad Peutinger Jakob Fugger angeschlossen. Sie waren sich bei der Frühmesse in der Kathedrale über den Weg gelaufen. Peutinger hatte inzwischen einen Aufenthalt an der Universität von Padua abgebrochen, um nach seinem fünfzehnten Geburtstag in Basel weiter zu studieren. Und wieder trug der junge Mann den schwarzen Talar.
»Du hast wohl Pfeffer im Hintern«, scherzte Jakob, als er erfuhr, dass Peutinger auch schon in Siena gewesen war.
»Ich bin eben ein unruhiger Geist«, hatte der unbefangene junge Mann geantwortet. Inzwischen näherten sie sich dem letzten großen Markt, an dem Italiener und Kaufleute aus dem Norden einander begegneten. Viele Fuhrleute kehrten in Bozen noch einmal ein, ehe sie sich in Richtung Brixen, Sterzing und Brenner zur steilsten Strecke des Alpenübergangs aufmachten.
Auch Jakob Fugger befahl den beiden Kutschern, zu dem Gasthaus abzubiegen, in dem die Augsburger zu übernachten pflegten. Kräftige Burschen von den Berghöfen warteten mit einem Dutzend Pferden des Postenverwalters auf den Tausch mit anderen Zug- und Reittieren.
»Nirgendwo wird deutlicher als hier, wie genial die Idee des schlitzohrigen Francesco Tassis war«, stellte Jakob fest. Sofort schüttelte der junge Peutinger den Kopf.
»Eigentlich war das gar nicht seine Idee«, sagte er. »Schon bei den Römern gab es vor tausend Jahren schnelle Reiterstafetten. Während der Heereszüge von Hunnenkönig Attila sollen sie die tausend römischen Meilen von Wien nach Konstantinopel in weniger als fünf Tagen und Nächten geschafft haben.«
»Das ist durchaus möglich«, sagte Jakob und nickte. Die Kutsche hielt mit einem letzten, gefährlich scheinenden Schwanken. Sie brauchten ein paar Augenblicke, ehe sie es wagten, mit schmerzendem Rücken und weichen Knien auszusteigen. Sie überließen den Hausknechten ihre Reisetaschen und wankten wie Seeleute nach langer Fahrt auf die belebte Herberge zu.
Conrad Peutinger ließ noch nicht nach. »Wenn der Tassis das Prinzip des ständigen Pferde- und Reiterwechsels nach kurzen Strecken bei Tag und bei Nacht so durchhält wie diese römischen Legionsreiter, könnte man Schlachten gewinnen, noch ehe sie begonnen haben.«
Jakob lachte, ging noch zwei Schritte weiter, blieb
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