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Jakobsweg im Smoking

Jakobsweg im Smoking

Titel: Jakobsweg im Smoking Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Winterberg
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Telefon.
    Eine Dame am Nebenregal schaut irritiert.
    Als normales Telefonat geht das wohl nicht durch.
    Für den Bruchteil einer Sekunde versinke ich in Selbstreflektion: Bin ich dabei, ein Nerd zu werden? Säge ich als nächstes meine Zahnbürste ab? Mein schlaues Telefon hat die Antwort längst gefunden:
    „40,9448819 inches“
    Ich befürchte, das bedeutet: Ja, Nerd. Sogar XL. Aber nur ganz knapp. XL fängt bei 40 Inch an.

9 . Briefwaage oder so?

    Auf dem Weg in die Haushaltswarenabteilung des Karstadt am Hermannplatz komme ich an einem kleinen Laden für Bücher, Postkarten und Elektronik vorbei:
    „Hallo, haben Sie vielleicht eine Briefwaage oder Küchenwaage oder so?“
    „Jaaa“, die Augen des Verkäufers beginnen zu leuchten, „habe ich. Letztes Exemplar.“
    Er greift neben sich ins Schaufenster nach einer kleinen weißen Schachtel. In der Schachtel ist eine weitere Schachtel, die wie eine längliche Schmuckschatulle wirkt. In der Schatulle befindet sich tatsächlich ein Schmuckstück. Sehr vorsichtig, sanft mit zwei Fingern greifend, hebt der Verkäufer mit seinen riesigen Händen die elektronische Juwelenwaage heraus. Er stellt sie auf die Theke, entfernt eine weitere Schutzkappe aus Plastik und sagt:
    „Hier geht sie an.“
    Er drückt einen Knopf.
    Nichts passiert.
    Ich lächele freundlich.
    Der Verkäufer lächelt freundlich zurück, greift hinter sich und legt Batterien ein.
    Das Display der Waage erwacht.
    Mir gefällt besonders der neben dem Display aufge druckte Klunker. Ich mag Klunker.
    „Hier drücken Sie ‚Tare’, dann stellt sich die Waage auf Null.“.
    Er drückt den ‚Tare’-Knopf. Die Waage stellt sich auf 0,0 g. Zehntelgramm kann sie nämlich auch.
    Wir wiegen mein Telefon.
    Die Waage sagt „124,5 g“. Ich runzele die Stirn.
    „Das wiegt eher knapp 140 Gramm“, merke ich an.
    „Hm, naja, sie steht nicht gerade gerade“, kommentiert der Verkäufer.
    Das stimmt.
    Die Waage steht eher schief auf vielen Verpackungen mit allerlei Mobilfunkzubehör, das sich auf der Theke stapelt wie auf dem Markt die Mandarinen.
    „Damit können Sie bis 500 Gramm wiegen. Sehr exakt. Kostet 20 Euro. Danach ist ja sowieso 1,45.“ Er lächelt wieder freundlich. Und ein bisschen lauernd.
    „1,45?“
    Ich bin ratlos.
    „Porto“, sagt der Verkäufer und grinst hintergründig. Er hat mich durchschaut. Briefe will ich offensichtlich nicht wiegen. Er zwinkert mir zu.
    „Sie können damit auch gut Silber wiegen oder andere Sachen.“
    „Jaaa“, stammele ich und suche nach einer Ausrede, „ich möchte sie vielleicht auch als Küchenwaage benutzen. Da sind dann 500 Gramm vielleicht etwas zu wenig. Ich schaue vielleicht mal bei Karstadt.“ Ich kann gerade unmöglich erzählen, dass ich meine Schuhe wiegen möchte.
    „Als Küchenwaage. Wow!“ Der Verkäufer hebt anerkennend die Augenbrauen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir nicht die gleiche Sorte Küche meinen.
    „Klar. Muss natürlich zu den Bedürfnissen passen“, sagt er, grinst herzlich und packt die Juwelenwaage wieder in ihre Schatulle.

    Bei Karstadt sind gerade digitale Küchenwaagen im Angebot. Ich wiege mein Telefon auf einigen Exemplaren Probe: „139 Gramm“. Das stimmt. Alle können bis zu 5 Kilo in Schritten von einem Gramm wiegen.
    Ohne mich beraten zu lassen wähle ich das Edelstahlmodell ‚ADE Maja’ für 19,95 Euro statt 44,95 Euro und genieße das angenehme Gefühl des erfolgreichen Schnäppchenjägers.

    Kurz darauf im Restaurant kann ich es kaum erwarten und packe die Waage aus, während die vietnamesische Suppe auf sich warten lässt. Zugegeben: Der Pappkarton ist keine Schatulle.
    Ein Plastikstreifen muss entfernt werden, um die Batterie zu aktivieren.
    Die Waage erwacht, justiert sich und meldet stolz:
    „351 g“
    Ich drücke routiniert auf die ‚Zero’-Taste, wie ich es vom Probeexemplar bei Karstadt kenne. Wie schön ihre große Edelstahlfläche im Kerzenschein schimmert.
    „351 g“
    Meine gute Freundin, die selbst nur eine alte, analoge Küchenwaage besitzt, schaut skeptisch.
    Ich drücke fester auf die ‚Zero’-Taste. Alle Zeichen des Displays flim mern erschrocken.
    „351 g“
    „Vielleicht musst du fester drücken“, schlägt meine alte, analoge Freundin vor.
    Ich schalte die Waage ab. Und wieder ein.
    „0 g“
    „Na bitte“, murmele ich und lege mein geliebtes Nona me-Schlauchhalstuch darauf ab.
    „38 g“
    Ich wiege das „Original Buff“-Schlauchhalstuch, das ich nach dem

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