James Bond 01 - Casino Royale (German Edition)
worden, genau wie Nizza. Nostalgie nach der guten alten Zeit war schon immer eine gute Einnahmequelle gewesen.
Das Casino wurde wieder in seinem ursprünglichen Weiß und Gold gestrichen und die Räume in Hellgrau eingerichtet, dazu gab es weinrote Teppichböden und Vorhänge. Man installierte riesige Kronleuchter. Die Gärten wurden neu bepflanzt und die Springbrunnen wieder angestellt. Und die beiden Hotels, das Splendide und das Hermitage, wurden herausgeputzt und poliert und mit neuem Personal ausgestattet.
Selbst der kleinen Stadt mitsamt ihrem alten Hafen gelang es, ein einladendes Lächeln über ihr verwüstetes Gesicht zu legen. Die Hauptstraße wurde mit den Schaufenstern großer Pariser Juweliere und Modeschöpfer ausgestattet, die durch mietfreie Läden und großzügige Versprechungen für eine Saison hergelockt worden waren.
Dann wurde das Mahomet-Ali-Syndikat überredet, ein großes Turnier im Casino zu veranstalten, und die Société des Bains de Mer de Royale hatte das Gefühl, dass Le Touquet nun endlich einen Teil der Schätze, die es ihnen im Laufe der Jahre gestohlen hatte, wieder hergeben musste.
So stand Bond auf dieser strahlenden und funkelnden Bühne im Sonnenschein und empfand seine Mission als unpassend und abseitig und sein düsteres Gewerbe als Beleidigung seiner Mitschauspieler.
Er schob dieses vorübergehende Unbehagen beiseite, umrundete die Rückseite seines Hotels und ging die Rampe zur Garage hinab. Er hatte beschlossen, vor seiner Verabredung im Hermitage mit seinem Wagen an der Küste entlangzufahren und einen kurzen Blick auf Le Chiffres Villa zu werfen. Dann wollte er über die Inlandstraße zurückfahren, bis diese auf die Route Nationale nach Paris traf.
Bonds Wagen, einer der letzten Bentleys mit 4½-Liter-Motor und Amherst-Villiers-Kompressor, war sein persönliches Hobby. Er hatte ihn 1933 fast neu gekauft und während des Krieges sorgfältig eingelagert. Er wurde immer noch jedes Jahr gewartet, und ein ehemaliger Bentley-Mechaniker, der nun in einer Werkstatt in der Nähe von Bonds Wohnung in Chelsea arbeitete, kümmerte sich voller Leidenschaft um sein Wohlergehen. Bond fuhr ihn hart und gut und mit einem fast sinnlichen Vergnügen. Es war ein schlachtschiffgraues Cabriolet, das sich tatsächlich umstellen ließ, und fähig hundertvierzig Kilometer die Stunde zu fahren – mit 50 Kilometern die Stunde als Reserve.
Bond fuhr den Wagen aus der Garage und die Rampe hinauf, und schon bald hallte das satte Dröhnen des fünf Zentimeter dicken Auspuffrohrs über den mit Bäumen gesäumten Boulevard und durch die überfüllte Hauptstraße des kleinen Städtchens und verschwand schließlich durch die Sanddünen Richtung Süden.
Eine Stunde später betrat Bond die Bar des Hermitage und wählte einen Platz in der Nähe des breiten Schaufensters.
Der Raum war auf eine sehr männliche Art eingerichtet, die in Frankreich zusammen mit Bruyere-Pfeifen und Drahthaarterriern Luxus verkörperte. Dunkelbraunes Leder und poliertes Mahagoni dominierten die Einrichtung. Die Vorhänge und Teppiche waren königsblau. Die Kellner trugen gestreifte Westen und grüne Schürzen. Bond bestellte einen Americano und betrachtete die Ansammlung viel zu vornehm angezogener Gäste. Er vermutete, dass die meisten aus Paris stammten. Sie unterhielten sich konzentriert und lebhaft und schufen so diese theatralisch gesellige Atmosphäre der
l’heure de l’apéritif
.
Die Männer tranken Champagner aus nie versiegenden Piccolo-Flaschen, die Frauen nippten an ihren Dry Martinis.
»
Moi, j’adore le ‚Dry‘
«, sagte eine lebhafte junge Dame am Nebentisch zu ihrem Begleiter, der in seinem nicht der Jahreszeit entsprechenden Tweedanzug viel zu adrett aussah und sie mit glänzenden braunen Augen über einen teuren Jagdstock von Hermès hinweg anschaute. »
Fait avec du Gordon’s, bien entendu
.«
»
D’accord, Daisy. Mais tu sais, un zeste de citron …
«
Dann bemerkte Bond draußen auf dem Bürgersteig Mathis’ große Gestalt. Er unterhielt sich angeregt mit einer dunkelhaarigen jungen Frau in Grau. Sie war bei ihm untergehakt, und doch fehlte eine gewisse Vertrautheit zwischen ihnen. Im Gesicht der Frau lag ein Hauch von Ironie, der die beiden nicht wie ein Paar wirken ließ. Bond wartete, bis sie die Bar betreten hatten, beobachtete aber zum Schein weiter die Passanten draußen auf der Straße.
»Na, wenn das nicht Mr Bond ist?« Mathis’ Stimme hinter ihm war voll freudiger Überraschung.
Weitere Kostenlose Bücher